„Ich bin eigentlich kein Mittelpunktsmensch“
Text: Andrea Eder
Fotos: André Karsai, Nina Stiller
Gleich mit ihrem ersten Song erzeugte die 33-jährige Österreicherin Gänsehaut pur: „Wie a Kind“, ein Lied, das offenbar einen kollektiven Nerv getroffen hatte. Das neue Album der Sängerin „Klee“ ist gerade erschienen…
Wie fühlt sich dein Leben mit all der Aufmerksamkeit und Publicity an?
So langsam bin ich reingewachsen, glaub ich. Aber das hat schon eine Weile gedauert, bis ich nicht mehr komplett überrascht war, dass die Leute mich auf der Straße, im Kaffeehaus oder in der U-Bahn erkennen. Manche sprechen mich dann an, bitten um ein Foto. Andere schauen einfach nur verstohlen her und gleich wieder weg. Da bin ich mir dann oft auch nicht sicher „Hat der oder die mich jetzt erkannt? Oder habe ich peinlicherweise Spaghetti-Sauce auf der Wange?“.
Wird man eitel von so viel Aufmerksamkeit?
Das hoff ich nicht. Ich bin eigentlich kein Mittelpunktsmensch. Ich weiß, das ist komisch, weil ich mich schon vor Jahren für einen Beruf entschieden habe, der auf einer Bühne oder sogar vor Kameras stattfindet. Aber mir ging es immer um die Sache, um die Musik, um die Geschichten, die ich erzählen wollte. Die Aufmerksamkeit bzw. die öffentliche Reichweite, das sind für mich Randerscheinungen, die zur Erfüllung meines Traums dazugehören. Aber den Applaus, den mag ich. Den interpretiere ich auch eher so, dass man als Künstlerin etwas von sich hergibt und die Menschen wollen dann etwas zurückgeben, weil ihnen das, was sie bekommen haben, etwas bedeutet hat.
Was bedeutet dir Musik?
Victor Hugo sagte: „Die Musik drückt das aus, was mit Worten nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“. Das trifft’s haarscharf. Ich glaube, so wie in der Kommunikation 80 % über Körpersprache vermittelt wird oder in einem richtig guten Gedicht oder Buch das Wesentliche zwischen den Zeilen steht, so berührt auch die Musik etwas in uns, zu dem wir auf anderen Wegen keinen bewussten Zugang haben.
Was willst du mit deiner Musik vermitteln?
Menschlichkeit, glaube ich. Ich habe das Gefühl, dass wir in so einer teils oberflächlichen, teils perfektionistischen, jedenfalls aber sich stark verändernden Welt leben, wo wir Menschen manchmal das Gefühl haben, unter die Räder zu kommen. Ich beobachte, dass sich viele Sorgen machen, um die Zukunft und wie das alles weitergehen soll. Darüber, ob unser Wert von technischen Geräten oder künstlichen Intelligenzen ersetzt werden kann oder ob unsere Identität von Fremden untergraben wird, zum Beispiel. Mir geht es darum, dass wir im Dialog bleiben und im Anderen auch einen Menschen erkennen, mit Haut und Haaren, Herz und Hirn.
Dein neues Album ist da – wie persönlich ist es?
Ausschließlich persönlich! Ich schreibe meine Texte ja selber und habe dementsprechend zu jeder Zeile, jeder Metapher unzählige Erinnerungen aus meinem Leben, die in den einzelnen Worten mitschwingen. „Paris“ zum Beispiel. Ich hatte tatsächlich mit meinem Ex-Freund eine Paris-Reise geplant. Wir hatten so oft darüber gesprochen und dann ist uns immer etwas dazwischengekommen und letztlich, als wir dann endlich gebucht hatten, haben wir uns kurz davor getrennt und es kam nicht mehr dazu. Wobei mein handwerklicher Anspruch an meine Arbeit dann der ist, dass ich meine persönlichen Erlebnisse beim Schreiben so poetisch verkleide, dass sich die Geschichten nicht einfach nur wie Tagebucheinträge lesen, sondern dass die Zuhörer sich mit ihren Erinnerungen und Gefühlen darin wiederfinden können.
Bist du ein Arbeitstier?
Ja. Voll. Ich werde in letzter Zeit oft gefragt, ob ich meinen Erfolg auf meinen Ehrgeiz zurückführen würde. Und ja, natürlich kann man das so sehen. Aber mir gefällt das Wort ‚Hingabe’ viel besser. Ich liebe die Musik, ich liebe meine Arbeit und ich mag es, wenn ich mich mit all meiner Energie in eine Sache schmeißen kann. Halbherzigkeiten machen mich unrund. „Ich bin schon so ein ‚Ganz oder gar nicht-Typ‘, wenn mir etwas wichtig ist. Privat und im Beruf.“
Ina Regen privat – wie würde eine Selbstbeschreibung von dir aussehen?
Eine moderne Frau voller Gegensätze auf der Suche nach Balance.
Wie wichtig ist dir dein Aussehen?
Durchschnittlich wichtig, glaub ich. Ich mag Schönheit, die Charakter hat. Ein Grundmaß von ‚Gepflegt-Sein’ halte ich da für selbstverständlich. Aber darüber hinaus soll mein Äußeres ein Ausdruck dessen sein können, wie ich mich als Mensch innen wahrnehme. Wenn ich einen gemütlichen Tag zu Hause habe, lieb ich meine Jogginghosen über alles. Wenn ich abends weggehe, mag ich’s, wenn ich meine Weiblichkeit schön verpacken kann. Und wenn ich auf die Bühne geh, mag ich eine Mischung aus bequem und doch stylish. Alles ganz normal, würde ich sagen.
Welche Charaktereigenschaften an Menschen schätzt du, welche kannst du nicht ausstehen?
Ich mag Ehrlichkeit. Ich mag es, wenn man zu Menschen so einen guten Draht entwickeln kann, dass man sich auch die zerbrechlichsten oder hässlichsten Wahrheiten laut denken traut. Und ich liebe Menschen mit Humor. Mit Selbstdarstellern und übersteigerten Egos tu ich mir dafür wahnsinnig schwer. Da kann’s schon mal passieren, dass ich recht offensichtlich mit den Augen rollen muss, auch wenn das unhöflich ist.
Was ist dein Wunsch ans Christkind?
Zufriedenheit. Weil die Antwort „Weltfrieden“ so ein übles Klischee ist. Aber eigentlich ist es das… Ich glaube, dass Weltfriede damit anfangen kann, dass jeder bei sich selber beginnt und versucht, zufrieden zu sein. Mit sich, mit dem Leben, das er führt und mit der Welt, die er nach bestem Wissen so gestaltet, dass sie auch morgen noch lebenswert ist.