From Nose to Tail:
Die Kunst, alles zu nutzen

„From Nose to Tail“ – ein Ausdruck, der seinen Ursprung in der Fleischverarbeitung hat, sich jedoch zu einem Synonym für die Kunst des Kochens entwickelt hat, bei dem jede Komponente eines Lebensmittels genutzt wird, um Abfall auf ein Minimum zu reduzieren.

„Wer von ‚Nose to Tail‘ kocht, will so wenig Lebensmittelabfälle wie möglich produzieren“, erklärt Johannes Absmann vom Schallmooser Kultwirt Fuxn. „Es umfasst aber schon unsere Einkaufsgewohnheiten, die Lagerung und erst im letzten Schritt die Verarbeitung“, ergänzt Küchenchef Andreas Herbst von der Riederalm in Leogang. Die beiden Food-Experten könnten nicht aus unterschiedlicheren Bereichen kommen. Andreas, der 3-Haubenkoch, der in seinem Restaurant ‚dahoam‘ für maximal 32 Personen den ‚Nose to Tail‘ Ansatz im Gourmetbereich perfektioniert hat und Johannes, der in seiner Volkswirtschaft gutbürgerliche Küche für 1000 Gäste am Tag regional und nachhaltig umsetzt. Beide sind Spezialisten, wenn es darum geht, so wenig Lebensmittelabfälle wie möglich im Betrieb anfallen zu lassen. „Das hat neben den betriebswirtschaftlichen Zwängen vor allem damit zu tun, dass wir die Produkte unserer lokalen Bauern einfach zu sehr schätzen, um sie in die Tonne zu werfen“, erklären beide unisono.

„Die beste Resteverwertung sind Schweinderl und Hühner, die freuen sich über hartes Brot und altes Gemüse.“

Johannes Absmann

Einkaufen mit Herz und Hirn

Lebensmittelverschwendung beginnt schon beim Einkauf. Regional muss er sein, so erhält man tolle saisonale Produkte. „Märkte und Hofverkauf haben den Vorteil, dass man einzelne Produkte bekommt. Wenn mir von den typischen drei Paprika aus dem Supermarkt eh immer eine schlecht wird, kosten zwei in Bioqualität auch nicht mehr“, gibt Johannes zu bedenken. Andreas kauft für seine Riederalm jedes Tier im Ganzen, sogar das Fell kommt danach zum Gerber, darauf werden dann die Speisekarten gedruckt. „Die Innereien werden als Erstes verarbeitet und was ich nicht sofort verwende, wird im Tiefkühler schockgefrostet. Für den Endverbraucher sind Innereien eine tolle Gelegenheit, günstig einzukaufen und dafür zu sorgen, dass diese Stücke nicht schon beim Metzger im Müll landen. Wer Leber, Niere und Co nicht im Ganzen mag, der kann sie faschieren und Leberknödel daraus machen, die halten eingefroren lange.“ Für den kleinen Haushalt empfiehlt Johannes täglich am Weg nach Hause einzukaufen, auf was man gerade Lust hat: „Oft isst man spontan auswärts und dann ist die Wochenplanung für den Hugo.“ „Als Familie kauft man am besten dreimal die Woche ein, so ist es immer frisch und ich kann kreativ zu den Überbleibseln im Kühlschrank dazukaufen“, rät Andreas.

Kühlen, gefrieren, einkochen

Ist die Ware dann in der Küche angekommen, geht es darum, sie optimal zu lagern und die richtige Ordnung zu schaffen. Oben kommen lang haltbare Lebensmittel wie H-Milch oder Vorgekochtes hin, in der Mitte sind Milchprodukte gut aufgehoben und ins unterste Fach gehören frisches Fleisch, Fisch und Wurst. Und was in die Gemüseschublade kommt, ist hoffentlich eh klar. Eier sowie die obligatorischen Flaschen Prosecco und Bier kommen in die Kühlschranktür. „Alt vor neu einsortieren ist die Einser Regel aus der Gastronomie“, erklärt Fuxn Chef Johannes: „Zusätzlich sollte man regelmäßig den ganzen Kühlschrank checken, was verarbeitet werden muss.“ Vorkochen ist eine ideale Lösung, um auch mal einen Tag mit leerem Kühlschrank zu überleben. Profi Andreas Herbst schwört auf Einweckgläser: „Bolognese, Gulasch oder Rindssuppe hält in Rexgläsern ewig und belastet das kleine Tiefkühlfach nicht.“

Die Biotonne bleibt leer

Möglichst alles vom Einkauf zu verarbeiten, beginnt damit, möglichst oft frisch zu kochen. „Aus Convenience Food Resten noch etwas zu zaubern ist fast unmöglich“, erklärt Chefkoch Andreas und der Fuxn Gastronom Johannes ergänzt, dass man mit ein bisschen Kreativität aus allem etwas Gutes zaubern kann: „Traut‘s euch mehr zu! Anregungen zur Resteverwertung findet ihr zuhauf im Internet“.

„Mit Karotten- und Sellerieschalen sowie Paprikakernen wird im Fuxn die klare Suppe gekocht. Pesto lässt sich aus fast allen Gemüseresten machen. Egal ob Zwiebeln, Nüsse, Paprika, Kräuter oder Rucola. Ein bisschen Hartkäse und Olivenöl dazu und fertig“, empfiehlt Johannes. Schimmliges gehört aber IMMER in den Mülleimer.

Indem wir unsere Kochgewohnheiten überdenken und uns bewusst dafür entscheiden, nachhaltiger zu kochen, können wir einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten und gleichzeitig köstliche Gerichte genießen. Dieser Ansatz ist nicht nur gut für unseren Planeten, sondern auch fürs Geldtascherl und unser kulinarisches Erlebnis. Es ist an der Zeit, von der Nase bis zum Schwanz und von der Wurzel bis zum Stiel zu kochen.

”Der Bürger ist oft total mit Mülltrennung beschäftigt, aber nicht mit Müllvermeidung.“

Johannes Absmann

Geheimtipps aus der Volkswirtschaft:

„Der Olymp des ‚Nose to Tail‘ ist das Bauerngröstel.“ Lang haltbare Zwiebeln und Kartoffeln hat man meistens zuhause, bestens kombinierbar mit allen Gemüse- oder Fleischresten im Kühlschrank.

„Hartwürstel und Speck sind extrem lang haltbar, schmecken kalt und warm und passen zu vielen Gerichten wie Spaghetti Carbonara, Tiroler Knödel oder Gröstel.“

„Spart euch das Schälen: Hokkaidokürbis kann mit Schale verkocht werden!“

Chefkoch Andreas Herbst verarbeitet sogar die Haut der Tiere. So entstehen u. a. einzigartige Herkunftskarten seiner lokalen Produkte.

Insider-Profitipps aus der Riederalm

Im Restaurant ‚dahoam‘ fermentiert Chef Andreas beinahe jeden Gemüserest. Gemüseabschnitte werden so beinahe unbegrenzt haltbar. Fermentierte Orangenschalen aus Bioorangen bilden die Grundlage zu leckeren Chutneys, Kaffeesatz ergibt fermentiert einen Ersatz für Sojasauce und aus rohen Saiblingsresten macht er sogar Fischsauce. „Man nehme Gemüse sowie Wasser und mindestens 1,5 % des Gewichtes in Salz. Mit den Händen durchkneten und beschweren, damit das Gemüse komplett von der Lauge abgedeckt ist. Nun lässt man es so lange gären, bis sich kaum mehr Gase bilden. Dann noch ein paar Tage in den Kühlschrank zum Nachreifen. Wenn das Ergebnis schmeckt, hat es funktioniert. Auf gleiche Weise entsteht auch Sauerkraut und Kimchi. Die fermentierte Flüssigkeit kann man zusätzlich zum Säuern von Gemüse oder als Marinade für Salate verwenden.“

Das 1×1 der Resteverwertung

Kartoffelschalen

Leckere Kartoffelschalen-Chips auf einem Backblech verteilen, mit Öl beträufeln, nach Belieben würzen und 15–20 Minuten bei 200 Grad Ober-/Unterhitze im Ofen backen. (Achtung: Nur frische Kartoffeln verwenden, die Schale sollte weder Keime noch grüne Stellen haben.) Mit Kartoffelschalen kann man auch wunderbar Spiegel reinigen, nur die Spiegelfläche mit der feuchten Seite der Kartoffeln abreiben und trocken nachwischen. So beschlagen die Spiegel auch nicht mehr.

Parmesanrinden

Eine wunderbare Verwertung von Parmesanrinden ist eine leckere Parmesancremesuppe. Parmesanrinden im Tiefkühler sammeln, kleinschneiden und mit Kartoffeln, Milch und Gemüsesuppe 20 Minuten köcheln lassen. Am Ende der Garzeit pürieren.

Brot und Gebäck

Mit 28 % haben diese Lebensmittel einen besonders großen Anteil am Speisemüll. Altes Brot kann in Würfel geschnitten und später für Semmelknödel verwendet werden oder angeröstet als Croutons in Suppe und Salat wandern.

Gemüseblätter

Die jungen Blätter von Radieschen, Kohlrabi, Fenchel und Rote Beete bringen neue Geschmacksnuancen in den Salat. Größere Blätter werden gedünstet und dienen als Spinatersatz, auch als Pesto eignen sie sich hervorragend. Aber Achtung: Nicht alles, was grün ist, kann auch gegessen werden. Das Grün von Rhabarber, Kartoffeln, Tomaten und Bohnen sowie Gurkenblätter sind giftig

Wichtig: Schimmlige Produkte gehören IMMER in den Müll!

Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Fuxn, Bianca Kübler, Lorenz Masser, www.kaindl-hoenig.com, Adobe Stock, Pixabay