Frischluftmobilität – ein selten werdender Genuss
Text: René Herndl
Fotos: Hersteller
Die Lust am Frischluftvergnügen in einem Cabriolet wird immer schwieriger, ist jetzt doch in der nach oben offenen Klasse ein gewisses Artensterben eingetreten. Davon sind besonders jene Typen betroffen, die zumindest noch einigermaßen erschwinglich waren, und so bleiben nur wenige Cabrios für die schmälere Börse. Der Rest ist reiner Luxus, der in der Zulassungsstatistik eigentlich keine Rolle spielt, dafür aber auf der Straße desto mehr auffällt.
Der Frühling ist im Anmarsch, also bricht bald wieder jene Zeit an, zu der man bei schönem Wetter genussvoll mit dem Cabrio durch die Landschaft gondeln kann. Leider aber wird es immer teurer, sich ein neues Gefährt mit Faltdach und der Option auf eine Überdosis Frischluft anzuschaffen. Der Grund liegt wohl darin, dass sich die Cabrios für Massenhersteller kaum mehr rentieren. Die Rentabilität ist das Todesurteil für viele preiswertere Modelle – wie etwa beim Fiat 124, dem feschen Ableger des Mazda MX-5, den es allerdings immer noch und aufgefrischt gibt, quasi als Einstieg in die Lust an der Frischluft.
Die neueste Ausgabe MX-5 ist jedoch eine Variante mit einem elektrisch versenkbaren Klappdach mit der Bezeichnung RF (steht für Retractable Fastback, also einklappbares Fließheck), der wieder ein Verkaufsschlager zu werden verspricht, wie der Vorgänger. Also ist auch die vierte Generation des Zweisitzers neben dem klassischen Stoffverdeck wieder mit festem Dach als „Targa“ zu bestellen.
Das kleinste Cabrio, sofern man es als solches überhaupt bezeichnen kann, ist allerding der Smart, den es in Zukunft aber nur als elektrifiziertes Stadtvehikel geben wird. Also nichts für den lustvollen Ausflug ins Hinterland. Der nächstkleinste, der Fiat 500, ist eigentlich auch kein wirkliches Cabrio, weil er nur ein faltbares Dach hat, quasi ein etwas vergrößertes Schiebedach. Und dann gibt es als eines der letzten Angebote kleiner Cabrios den Mini als wirkliches Cabriolet und vier Sitzen, zumindest theoretisch deren vier, weil auf der Rückbank einfach auch der Platz „mini“ ist. Aber preisgünstig ist auch der nicht mehr wirklich.
Aus Ingolstadt tönt es, Zweitürer seien ziemlich „out“, was bei Audi zur Ausdünnung des Angebots geführt hat. Die Absatzzahlen sind wichtiger als die Freude am Fahren, so scheint es. Jetzt gibt es also nur noch den Audi TT als Cabrio und den 5er mit Sechszylinder, üppiger PS-Zahl und zu einem Preis, der schon ein ziemlich dickes Sparbuch braucht. Das andere Audi-Cabrio, der R8 Spyder, also ein Zweisitzer, fällt sowieso schon in die Kategorie der Exoten. Oder besinnt sich Audi noch einmal und bringt doch auch ein kompaktes und erschwingliches Cabrio?
Die Cabrio-Gegenwart bei Volkswagen ist die des Kompakt-SUVs T-Roc mit aufgeschnittenem Dach, der als Studie T-Breeze eigentlich schon 2016 erstmals gezeigt wurde. Ob die Kombination aus Zeitgeist und Cabrio zum Kassenschlager wird, ist zweifelhaft, aber als SUV-Derivat der geschlossenen Version vielleicht doch kein Verlustgeschäft.
Das breiteste Angebot offener Autos findet man derzeit bei Mercedes, wo alle erdenklichen Modelle auch als Cabrios und mit unterschiedlichsten Motorisierungen zu bestellen sind, allerdings sind auch da kaum Schnäppchen zu finden. Das Prunkstück ist derzeit der viersitzige Convertible der S-Klasse, also die Luxusklasse mit edlen Features mit Stoffverdeck. Was die vierte Generation des SLK bringen soll, steht noch in den Sternen, jedenfalls aber muss er wieder sportlicher werden und so zu den Konkurrenten aufschließen. Als technische Basis wird ein neuer Sportbaukasten dienen, der einen flacheren Einbau von Motor und Getriebe, einen entsprechend abgesenkten Schwerpunkt und eine optimale Achslastverteilung ermöglicht. Und der kommende SL soll auch wieder ein Stoffverdeck bekommen, so hört man.
So ein bisserl „old-fashion“ ist auch die neueste Version des BMW Z4, den es mit Vierzylinder wie auch dem legendären Reihensechser gibt, der übrigens auch den Morgan Plus Six antreibt. Klassische Roadster mit langer Haube, kurzem Heck und Fetzendach fast wie in alten Zeiten. Ähnlich nur größer: BMW 8er als großes sportliches Cabrio. Die Optik weicht kaum vom Coupé ab, im Vergleich zum geschlossenen 8er wirkt das Cabrio allerdings noch gestreckter. Das Verdeck öffnet sich bis 50 km/h in 15 Sekunden. Zusätzliche Zugstreben, eine Verstärkung im Unterboden und ein Überrollschutzsystem versteifen die Karosserie und sorgen für mehr Sicherheit. Und das nächste 4er Cabrio verabschiedet sich wieder vom versenkbaren Hardtop. Die Gründe: zu schwer, zu voluminös, nicht hübsch genug. Wie das Coupé gibt es auch den offenen 4er wieder als rund 450 PS starkes M-Modell.
Womit wir endgültig in der Luxus-Preislage wären, wo die meisten Cabrios zu finden sind: Luxuriös, extrem motorisiert und meist sehr teuer. Da kommt einem der Porsche 718 als Einstiegsmodell mit Vierzylinder und runden 300 PS fast noch preiswert vor. Den 911er gibt es seit 1982 auch als Cabrio, dessen neueste Version weiterhin ein klassisches Stoffverdeck mit fester Glasheckscheibe aufweist. Leistung? Mehr als genug fürs offene Vergnügen.
Mercedes-AMG bietet Kunden, denen der AMG GT C Roadster zu wenig Leistung hat, eine noch stärkere Alternative – den offenen GT R. Motorisch bedient sich der Roadster bei seinem Coupé-Bruder, was also 585 PS aus dem bekannten V8-Biturbo ergibt. Fahrleistungen? Jenseits der 300 km/h-Marke. Preis? Den wollen Sie gar nicht lesen.
Von Maserati wird der Spyder erst nach dem Alfieri Coupé kommen. Der Italiener tritt auch optisch als Jaguar F-Type-Konkurrent an. Sein 3,0-Liter-Sechszylinder leistet je nach Turbo-Aufladung zwischen 400 und gut 500 PS. Der Spyder bekommt ein Stoffdach und feste Überrollbügel – und er soll eine italienische Schönheit werden, wie der Jaguar sein britisches Pendant ist und bleibt. Eine Sonderstellung nimmt hier der edle Aston Martin Vantage ein, der allerdings von einem Mercedes-Achtzylinder angetrieben wird.
Honda steigt ebenfalls mit seinem Supersportwagen NSX in den Roadster-Vergleich ein, was bedeutet, dass die offene Version technisch identisch mit dem Coupé ist, also mit Hybridantrieb und V6-Turbobenziner samt drei E-Motoren. Systemleistung: 580 PS! Der NSX Roadster wird wie das Coupé in Ohio/USA gebaut. Und Lexus verfährt ähnlich: Der LC erfährt auch eine Cabrio-Auflage, die formschön und elegant mit fast 500 PS für japanische Spitzenklasse steht.
McLaren bringt das Modell 600LT Spider, eine offene Version mit einem Trocken(leicht)gewicht von 1297 Kilo, ebenso angetrieben vom 3,8-Liter-V8 mit 600 PS und 620 Nm. Leistungsdaten satt: 100 km/h sollen nach 2,9 Sekunden anliegen, 200 km/h nach nur 8,4 Sekunden, Topspeed 324 km/h. Basispreis in der Größenordnung einer netten Wohnung.
An der Spitze der Cabrio-Skala liegt dann wahrscheinlich der Bentley Mulliner im „Barchetta“-Design, ein verdeckfreies, fahrerorientiertes Grand Touring Fahrzeug mit der ultimativen Leistung eines verbesserten 6,0-Liter-W12-TSI-Motors mit 659 PS. Allerdings ist die Auflage der zwölf unverwechselbaren Fahrzeuge, die nach individuellen Kundenwünschen entworfen, konstruiert und von Hand gefertigt werden, schon verkauft. Wer also im Auto den Wunsch nach freiem Blick in den Himmel hat, der muss entweder sehr viel Geld hinblättern oder sich in Bescheidenheit üben, etwa einem Ford Mustang, der mit Vierzylinder und rund 300 Pferdestärken fast schon ein Schnäppchen ist. Oder man sieht sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt um, wo man mitunter auch günstige Raritäten finden kann.