„Es kommt viel Neues auf mich zu“

Text: Doris Thallinger

Fotos: Salzburger Festspiele/Monika Rittershaus; Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl; Christiane Karg

2006 feierte sie ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen – 2018 steht Christiane Karg als Mozarts Pamina auf der Bühne. In der Zwischenzeit hat sich viel getan in der Karriere der Sopranistin. Mit der SALZBURGERIN plaudert sie über vergangene und künftige Rollen, über ihre Visionen und Herzensangelegenheiten.

Leichtfüßig eilt sie über die Straße – pünktlich, auf die Minute. Überraschend klein und zierlich wirkt Christiane Karg – wenn man die Sopranistin nur von Fernsehen und Bühne kennt, staunt man ob ihrer Zartheit und des jugendlichen Aussehens. Jung und übersprudelnd ist auch ihr Wesen. Unverzüglich beginnt sie zu plaudern und sinniert darüber, wie oft sie mittlerweile schon auf der Bühne der Salzburger Festspiele gestanden ist. Das erste Mal, das war vor zwölf Jahren, 2006, zeitgleich mit ihrem Abschluss am Mozarteum. „Das kam damals so plötzlich – da ist schon ein Traum Wirklichkeit geworden.“

Dieses Jahr ist die 38-Jährige als Pamina in Mozarts Zauberflöte zu sehen und hören. „Ich wollte hier schon immer einmal gerne die Pamina oder die Susanna singen. Mit der Susanna hat es nicht geklappt – und wird es wohl auch nicht mehr, weil ich die Partie nicht mehr singe. Die habe ich jetzt nach meinem Debüt an der Metropolitan Opera in New York aufgegeben – ich fühle mich nicht mehr jung genug für diese Partie.“ Die Pamina hingegen werde gerade erst so richtig spannend: „Schon als Kind habe ich alle Partien aus der Zauberflöte mitgesungen, nur die Pamina hat mich bislang nie so interessiert. Jetzt finde ich die Partie spannend – es ist auch eine Herausforderung, etwas Besonderes daraus zu machen.“
Mit der eigenen Entwicklung, der Entwicklung der Stimme verändern sich eben auch die Partien, die Kargs Interesse wecken: „Die Mélisande in Pelléas et Mélisande zum Beispiel war so eine Schlüsselrolle für mich. Und es gibt eine Partie, die ich sehr interessant finde. Wenn ich die – und sei es am Ende meiner Karriere – einmal singe, dann wäre ich schon zufrieden: Das ist die Jenufa in Leoš Janáčeks gleichnamiger Oper.“ Denn es sind die drama-tischen Geschichten, die Oper als Theater, die sie interessieren, Geschichten, die an die Substanz gehen, die an die menschlichen Abgründe gehen. „Es macht mir Spaß, nicht nur an der Oberfläche zu kratzen. Deswegen probe ich auch so gerne. Ich sollte es gar nicht laut sagen, aber die Probenzeit gibt mir oft mehr als die Aufführung an sich. Ich lerne so wahnsinnig viel über mich selbst dabei. Einfach nur die Partie runter singen – das ginge für mich nicht. Da würde ich meine Idee des Berufs, die ich lebe, ganz schnell verlieren!“

Prima la Musica?
Was kam zuerst? Die Musik oder das Wort? Für Christiane Karg eindeutig die Worte. Die Texte ihrer Arien, Lieder und Oratorien spielen eine immense Rolle für die gefühlvolle Sängerin. „Die Texte sind für mich das Wichtigste. Gerade im Gedicht – da ist alles drin. Und ich glaube wirklich, es waren zuerst die Worte da, es war das Gedicht, das Libretto, die Geschichte. Mein Part ist es, diese Geschichte zu erzählen. Und nur, wenn ich das Gedicht oder die Arie verinnerlicht habe, wenn ich mir im Kopf eine Geschichte dazu gebaut habe, dann kann ich sie auch mit voller Überzeugung an das Publikum weitergeben. Ja, es ist für mich ganz, ganz wichtig, WAS ich singe!“

Für alle Sinne
Was sich auch auf Christiane Kargs aktuellem Album „Parfum“ widerspiegelt. Hier vermengt sie gekonnt Musik und Poesie. Inspiriert von den Werken französischer Lyriker, entführt Karg ihre Zuhörer in die Romantik des 19. Jahrhunderts. „Das Wort Parfum kommt in der Poesie oft vor und ist ein wichtiger Ausdruck in einem dieser Gedichte. Außerdem habe ich festgestellt, wie viele Gemeinsamkeiten es zwischen Duft und Musik gibt. Hier wie dort wird von Akkorden gesprochen, von Klang, von Komposition.“ Was liegt also näher als ein Parfum, das dieselben Assoziationen weckt wie die Musik? „Mit der CD und dem Parfum möchte ich einfach zwei Sinne ansprechen!“ Der Erlös daraus kommt übrigens zur Gänze Christiane Kargs Jugendprogramm „be part of it!“ zugute.

Musik für alle
„Ich glaube, es reicht heute nicht mehr, dass wir warten, bis das Publikum zu uns kommt. Wir müssen aktiv auf die jungen Menschen zugehen und über unseren Beruf erzählen.“ Und deshalb lädt Christiane Karg Kinder und Jugendliche ein, Konzertveranstaltungen zu besuchen. Davor nimmt sie sich die Zeit, den jungen Menschen Rede und Antwort zu stehen, ihnen die klassische Musik im Allgemeinen und das jeweilige Konzert im Besonderen näher zu bringen. „Dieses Projekt möchte ich mit mir um die Welt tragen, weil es wirklich mit relativ wenig Aufwand ein unglaubliches Ergebnis haben kann. Ich muss nur irgendwie die Zeit finden, das alles zu organisieren.“
Ja, Zeit ist Mangelware für die Sopranistin, die ohnedies 300 Tage im Jahr auf Reisen ist. Ausgleich findet sie in der Natur: „Ich muss draußen sein, an der frischen Luft, in der Sonne! Auch zuhause bei meinen Eltern kann ich sehr gut abschalten. Und beim Schwimmen!“ Diesem Hobby geht sie diesen Sommer natürlich auch in Salzburg nach – am liebsten im Volksgartenbad. „Ich mag das Volks-gartenbad so gerne, weil ich da früher in der Nähe gewohnt und sogar dort gejobbt habe!“ Ansonsten genießt sie die Stille – und Salzburg, bevor der Festspiel-trubel und der Riesenansturm durch Touristen losgehen.
Und wie geht es dann nach den Festspielen weiter? „Dann steht einmal ein Monat Urlaub an – das habe ich seit zwölf Jahren nicht mehr gemacht. Ich muss mich nämlich auf viele Sachen vor-bereiten, nächstes Jahr kommen große Partien und viel Neues auf mich zu. Frei haben heißt, ich habe Zeit zu studieren.“
Zeit ist eben Luxus im Leben einer Sängerin, jedoch: „Ich lerne gerade, weniger zu arbeiten, ich möchte die Städte genießen und nicht mit dem Koffer in der Hand von einem Hotelzimmer zum nächsten hetzen. Ich möchte meinen Beruf noch mehr genießen – ich glaube, nur so kann ich mir meinen Enthusiasmus und meine Vision dieses Berufs erhalten.“