„Es is‘ alles für die Fisch‘“
Text: Doris Thallinger
Fotos: www.kaindl-hoenig.com
Reini Herbst ist auf den Fisch gekommen. Genauer gesagt hat er sich vor fünf Jahren mit dem Koi-Virus infiziert und beherbergt heute in seinem Privathaus eine beeindruckende Fisch-Aufzucht. Wir durften ihn und seine Koi besuchen und haben dabei jede Menge über sein Hobby und seine Leidenschaften sowie über sein Leben in der „Ski-Pension“ erfahren.
Vor mehr als zwei Jahren hast du dem Ski-Zirkus Adieu gesagt – wie ergeht es dir seither?
Eigentlich recht gut, wobei ich sagen muss, ich bin seitdem mindestens genauso viel unterwegs wie früher. Aber nun halt nicht mehr fürs Skifahren, sondern für andere Projekte.
Die da wären?
Zum Beispiel veranstalte ich am 12. Jänner ein ganz besonderes Event, das Bike&Ski in Ellmau und Going. Die Teilnehmer fahren erst mit den Skiern talwärts und dann übergeben sie an den Zweiten, der die Strecke dann mit Harley, ausgestattet mit Spikes, rauf schaffen muss. Ein bisschen crazy, ich weiß. Da haben sich schon jede Menge Teilnehmer und auch Promis angesagt.
Außerdem mache ich Coachings und Trainings, zusammen mit Manfred Pranger. Dabei gestalten wir gesunde Trainings, bei denen weniger mit Geräten als vielmehr mit dem Körpergewicht gearbeitet wird. Immerhin haben wir beide in unseren aktiven Jahren so viel Zeit zwischen Training und Therapie verbracht, dass wir auf dem Gebiet wirklich viel gelernt haben. Und das Wissen wollen wir jetzt weitergeben.
Ja, und als Hauptberuf arbeite ich bei der Polizei, als Koordinator für Spitzensportler.
Was kann man sich unter diesem Job konkret vorstellen?
Ich betreue als Koordinator 69 Sportler der Polizei, entscheide mit, wer in den Kader aufgenommen wird, unterstütze dabei diese Sportler in den verschiedensten Anliegen. Ein wichtiger Teil ist natürlich auch die Öffentlichkeitsarbeit, dass die Erfolge und Leistungen der Sportler auch bekannt werden. Da arbeite ich unter anderem eng mit der Social Media Abteilung des Ministeriums zusammen. Dafür bin ich viel unterwegs, andererseits hat dieser Job aber auch den Vorteil, dass ich vieles auch von Zuhause aus erledigen kann. Dann schnappe ich mir meine ganzen Ordner und Unterlagen und arbeite den ganzen Tag hier im Garten, gleich am Teich.
Wie schwer fiel dir der Abschied und Umstieg in einen „normalen“ Beruf, in ein „normales“ Leben?
Gar nicht schwer. Ich habe selbst den Zeitpunkt bestimmt, zu dem ich aufgehört habe und das war sehr wichtig für mich. Viele haben mich immer wieder gefragt ‚Warum hast du nicht früher aufgehört?‘ Aber es hat mir bis zum letzten Rennen Spaß gemacht, ich hatte bis zum Schluss die Leidenschaft in mir. Der Umstieg an sich war ziemlich unspektakulär: Nach dem letzten Rennen hatte ich eine Woche Urlaub und dann ging’s ins Krankenhaus, das Knie operieren.
Was vermisst du am meisten aus der Zeit des Skifahrens?
Am allermeisten vermisse ich das Adrenalin, das Gefühl, wenn du am Start stehst und genau in diesem Moment alles abrufen musst, das Kribbeln. Ja, das vermisse ich. Wenn ich aber dann an andere Dinge denke – wie an die Gletschertrainings, die Materialtests – die vermisse ich weniger. Beim Skifahren bist du von so vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, z.B. wie die Strecke gesteckt ist, die Witterung, es sind so viele äußere Einflüsse, durch die es, auch wenn du selbst die Leistung bringst, danebengehen kann. Und das ist frustrierend.
Vor vielen Jahren hast du einmal gesagt, dass du dem Skisport alles unterordnest. Was ist heute deine oberste Priorität?
Alles, was ich mache, mache ich zu hundert Prozent, mit voller Leidenschaft – und ja, da passiert es, dass alles daneben auf einmal unwichtig wird. Aber nur so habe ich es geschafft, trotz meiner zahlreichen Verletzungen, trotz all der Auf und Abs. Was ich heute mache, mache ich mit derselben Leidenschaft, aber nun teilt sie sich auf mehrere Bereiche auf.
Eine dieser Leidenschaften gilt deinen Koi und deren Aufzucht. Wie bist du überhaupt „auf den Fisch gekommen“?
Die Fische haben es mir schon als kleiner Bub angetan. Schon damals hab ich bei uns am Bauernhof immer kleine Gruben ausgegraben und mit Folie ausgelegt, das waren sozusagen meine ersten Fischteiche. Und vor fünf Jahren bin ich dann zum ersten Mal mit den Koi in Kontakt gekommen. Tja, und ab dem Zeitpunkt war ich mit dem Koi-Virus infiziert, die haben mich nicht mehr losgelassen. Und als wir dann hier Haus gebaut haben, war von vornherein klar, dass da ein ordentlicher Fischteich her muss.
Das ist aber mehr als nur ein „ordentlicher Fischteich“…
Wenn, dann richtig! Ich habe lange recherchiert, nach den besten technischen Lösungen gesucht. In den Becken muss die beste Wasserqualität herrschen, die Lichtbedingungen und die Temperatur müssen perfekt stimmen. Ich habe auch selbst lange getüftelt, bestehende Systeme weiterentwickelt, bis alles ausgeklügelt war und ich zufrieden. Anfangs habe ich viele Fehler gemacht, um aber schließlich die technisch beste Lösung zu finden. Am Dach sind 89 Photovoltaik-Paneele montiert – die gesamte Energie fließt hier herein. Alles für die Fisch‘ ist da wortwörtlich gemeint! Außerdem bekommen die Koi das beste Futter. Wenn es ihnen gut geht und die Verhältnisse optimal sind, nur dann entwickeln sie sich dementsprechend.
Ist die Koi-Zucht noch ein reines Hobby für dich oder bereits mehr?
Ich habe vor zweieinhalb Jahren den Koi Experten Martin Kammerer von Konishi Europe und den Teichbau-Experten Michael Rupp von Genesis kennen gelernt. Die beiden haben mir geholfen, meinen Teich und meine Innenhälterung auf das höchste Niveau zu bringen. Nachdem ich sehr viel in die Anlagen investiert habe und die besten Möglichkeiten geschaffen habe, um High Quality Koi aus Japan aufzuziehen, kann man nicht mehr nur von einem Hobby sprechen. Davon kann man sich auch auf meiner Website www.koialm-salzburg.at und meiner Facebook-Seite überzeugen oder auf www.konishi-koi.com, wo immer wieder Internet-Auktionen stattfinden.
Wie viel Zeit nehmen die Koi in Anspruch?
Sehr viel. Aber für mich ist das keine Arbeit, das ist Entspannung, dabei komm ich runter.
Wie steht deine Familie zu den Koi?
Für die Becken hier im Keller interessieren sich die Kinder nicht besonders, außer wenn einmal ein neuer Freund oder eine neue Freundin zu Besuch ist, dann zeigen sie sie natürlich schon her. Aber mit den Koi draußen im Garten haben sie viel Freude. Im Sommer baden alle zusammen im Teich, das taugt ihnen natürlich.
Und die Manuela – naja, die hat mich anfangs schon für verrückt erklärt, wie es wahrscheinlich jede Frau tun würde. Aber mittlerweile ist sie auch infiziert vom Koi-Virus. Und wenn ich nicht zuhause bin, kümmert sie sich um sie.
Apropos Familie: Wie lange bist du schon mit deiner Manuela zusammen?
Schon seit 17 Jahren. Zwischen uns herrscht ein immenses Vertrauen, die Manuela ist immer hinter mir gestanden, auch in schwierigen Zeiten. Und das ist etwas ganz Wichtiges, dass man Familie, Freunde, Verwandte rund um sich hat, die einen immer wieder aufbauen. Das schweißt zusammen. Es passt einfach super zwischen uns.
Ihr hört die Frage wohl öfter, aber: Warum seid ihr noch nicht verheiratet?
Lacht: Ich hab doch vorhin schon gesagt, dass ich immer so viel zu tun habe – es war bis jetzt einfach nie Zeit dafür. Aber es kann durchaus noch kommen. Für mich war es bislang nicht so wichtig. Eine Hochzeit feiert man so oft wegen der Wirkung nach außen, für andere Leute. Und selbst hat man am wenigsten davon. Ich bin wirklich immer gern für andere da und tue alles für Kollegen, für meine Sportler bin ich fast rund um die Uhr da. Aber eine Hochzeit ist für mich etwas ganz Privates, die würden wir wirklich nur im engsten Kreis feiern. Und natürlich stellt sich die Frage, wofür braucht man die Ehe unbedingt. Bei uns passt so auch alles wunderbar.
Welche Werte möchtest du an deine Kinder weitergeben?
Das Ursprüngliche, das worauf es wirklich ankommt im Leben, was wirklich wichtig ist. Ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen – und da hatten wir auch nicht alles in Fülle. Mein Vater hat damals Grund verkaufen müssen, damit ich an meinem ersten Trainingslager habe teilnehmen können. Und ich hatte viele Dinge nicht, die andere hatten. Aber im Nachhinein bin ich froh darüber, dass ich mir viel selbst erkämpfen und erarbeiten musste. Und das will ich auch meinen Kindern weitergeben, dass nichts selbstverständlich ist. Natürlich haben sie heute vieles, aber gleichzeitig sollen sie auch wissen, wie schön es sein kann, wenn man mit weniger auskommt. Und wie schön das Ursprüngliche ist. Miteinander auf der Alm sein, Zeit füreinander haben. Internet, Handy und so weiter gehören heute dazu, aber ich will, dass sie erkennen, dass das nicht die wirkliche Welt ist.
Eifern dir deine Kinder in Sachen Skifahren nach?
Nein, die beiden sind keine begeisterten Skifahrer. Die Lilly konzentriert sich auf Schwimmen und Tennis und für den Felix gibt es außer Fußball nur Fußball, und das am liebsten sieben Tage die Woche. Ich würde meine Kinder auch nie zu etwas zwingen, das sie nicht selbst wollen. Das würde ohnehin nur eine Zeitlang gut gehen. Spätestens, wenn sie 15, 16 Jahre alt sind, kriegt man es dann als Vater zurück. Nein, sie sollen machen, was ihnen Spaß macht und was ihnen liegt. Aber so kommen wir halt gerade mal auf ein paar wenige Skitage im Jahr mit der Familie. Und gerade im vergangenen Jahr konnte ich nicht einmal schmerzfrei Sessellift fahren, weil ich mein Knie nicht richtig abbiegen konnte.
Du hast dich ja erst heuer im Frühjahr wieder einer Knieoperation unterzogen. Wie geht es dir mit deinem neuen Knie?
Ja, dieses Mal habe ich wirklich ein ganz neues Knie bekommen. Der Arzt hat erst gezweifelt, ob das in meinem Alter sinnvoll ist. Aber nach der OP hat er dann auch gemeint, dass er noch nie ein so kaputtes Knie gesehen hat, nicht einmal bei sehr alten Menschen. Ich habe vor dieser Operation kaum noch gehen können. Ich hatte ja schon so viele Operationen – während meiner aktiven Zeit habe ich es oft gar nicht erzählt, dass ich schon wieder operiert werde, weil ich das Mitleid der anderen nicht wollte. Jetzt aber geht es gut, mal schauen, wie es heuer beim Skifahren wird…
All diese Operationen, die ständigen Schmerzen – aus heutiger Sicht: War es das alles wert?
Für mich zu dieser Zeit: definitiv ja! Es war meine Leidenschaft, das was ich immer wollte. Auch wenn viele gemeint haben, der ist verrückt, warum hört er denn nicht auf! Aber nein, es hat mir, wie gesagt, bis zum letzten Rennen Spaß gemacht.
Vor kurzem bist du 40 Jahre alt geworden. Wofür bist du in deinem bisherigen Leben dankbar?
Dafür, dass ich alles machen konnte, und auch heute noch machen kann, was mir Spaß macht. Natürlich hat mir dafür auch der Sport viele Türen geöffnet. Und natürlich dafür, eine gesunde Familie zu haben.
Was fehlt dir (noch) zum absoluten Glück?
Mehr Zeit zu haben für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Zum einen für die Familie und zum anderen für mich selbst, für meine Leidenschaften und Hobbys. Es ist zwar kaum zu glauben, aber seitdem ich mit dem Skifahren aufgehört habe, komme ich zum Beispiel noch weniger zum Harley fahren als früher…
Reinfried Herbst wurde am 11. Oktober 1978 geboren und wuchs am elterlichen Bauernhof in Unken auf.
Als Weltcup Slalomläufer konnte er etliche Erfolge einfahren, unter anderem 2006 Olympia-Silber und die Weltcup Kristallkugel 2010. Nach 126 Weltcup-Rennen und 27 Jahren im Skisport beendete er am 1. März 2016 seine Ski-Karriere.
Heute lebt Reinfried Herbst mit Lebensgefährtin Manuela und den Kindern Felix (11) und Lilly (8) in Wals-Siezenheim, wo er voller Leidenschaft die Aufzucht wertvoller Koi betreibt.
Beruflich ist er als Koordinator für Spitzensportler bei der Polizei tätig sowie als Trainer, Coach und Veranstalter (www.event-corner.at).