Die Würze des Lebens

Text: Maria Riedler

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Gewürze und Kräuter sorgen nicht nur in kulinarischer Hinsicht für die Würze des Lebens. Kein Lebensmittel hat den Lauf der Menschheitsgeschichte so geprägt und keinen anderen Zutaten werden so viele heilende Kräfte zugewiesen, wie eben den Gewürzen und Kräutern.

Gewürze gehören im Leben zweifellos zu den schönsten Nebensachen der Welt. Auch wenn ihr Anteil an der täglichen Nahrung noch so gering ist, so sind sie kulinarisch von höchster Bedeutung. Schon die Menschen der Frühzeit haben sie als Genuss- aber auch als Heilmittel verwendet. Gewürze waren stets äußerst kostbar; Pfeffer und Muskat wurden im Mittelalter sogar als Zahlungsmittel verwendet. In unserer Gesellschaft genießen wir den Luxus, alle erdenklichen Gewürze immer, überall und für jeden leistbar zur Verfügung zu haben.
Die Verwendung von Gewürzen dürfte so alt sein wie das Kochen. Bereits in den Überresten der Pfahlbauten konnte Kümmel nachgewiesen werden. Die ältesten Funde an Gewürzen stammen übrigens aus Mexiko, womit belegt werden kann, dass die Ureinwohner Mexikos bereits etwa 7000 v. Chr. mit Chili gewürzt haben.
Für die Alte Welt liegt die Wiege der Gewürze jedenfalls in Indien. Schon vor über 5.000 Jahren dürfte es ein weit verzweigtes Handelsnetz gegeben haben, welches sich von China über Indien, Persien und Mesopotamien bis Ägypten erstreckte.
Gewürze bildeten schon sehr früh ein sehr begehrtes Handelsgut und machten Städte reich. Gewürze waren ein Zeichen von Reichtum, sie galten als willkommene Gastgeschenke für Fürsten oder wurden als Lösegeld verlangt. Venedig, Genua und Pisa verdankten ihren Reichtum dem Gewürzhandel, der ihnen über 400 Jahre lang hohe Profite brachte. Sobald ein Land den Gewürzhandel kontrollieren konnte, scheffelte es unermessliche Reichtümer.

Frage des Geschmackes
Geschmack ist eine Frage der Erfahrung. Schon in der Kindheit werden Geschmackspräferenzen geprägt. Die Geschmacksverfeinerung von Speisen, das Würzen, muss wie das Kochen erlernt werden. Warum würzen wir Bratwurst mit Currypulver, warum essen wir sie mit Senf oder Ketchup? Weshalb schmecken uns Salz und Pfeffer, Thymian und Rosmarin an Fleischgerichten, warum färben wir Risotto mit Safran ein und weshalb gehört an Bratäpfel Zimt? Gewürze verwöhnen den Gaumen, erregen die Sinne, verfeinern unsere Speisen und dadurch unser Leben. Der „richtige“ Gebrauch und Einsatz von Gewürzen unterliegt auch gesellschaftlichen Konventionen. Doch die Frage der Kombination und Dosierung der Spezereien bleibt individuelle Ermessens-Sache – Geschmäcker sind eben verschieden.
In Zeiten des materiellen Überflusses ist unser Gaumen verwöhnt. Seit langem spielen Gewürze bei unseren Essgewohnheiten eine entscheidende Rolle, und wir sind mit einer Vielzahl fremdländischer Küchen und Gewürze vertraut. Beim Griechen schmeckt es anders als beim Italiener, die chinesische Küche kennt andere Aromen als die indische und wir unterscheiden zwischen Fastfood, Slowfood und Gourmetküche – nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen, charakteristischen Verfeinerung der zubereiteten Speisen. Gewürze sind heute buchstäblich in aller Munde. Längst kann jeder heute im Supermarkt um die Ecke schon für wenig Geld die exotischsten Gewürze erwerben, und im Asiashop gibt es Wurzeln und Spezereien, deren Namen wir kaum kennen, deren Aromen uns aber vertraut sind. Das war früher nicht so. Jahrhundertelang waren Gewürze sehr kostbare Beigaben. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg konsumierte der normale Bürger höchstens Salz und Pfeffer und bekannte lokale Gewürze. Erst der zunehmende Wohlstand der Wirtschaftswunderzeit und ein flächendeckendes Transportwesen ermöglichten den breiten Einzug exotischer Gewürze in die heimischen Küchen.

Eigenes Kräuterpotpourri
Kräuterpflanzen im eigenen Garten, auf dem Balkon, der Terrasse oder einfach auf der Fensterbank anzubauen, ermöglicht es, die Gewürzkräuter unmittelbar vor dem Gebrauch zu ernten. Sie schmecken dann nicht nur besonders aromatisch, sondern sind auch sehr dekorativ.
Bevor man einen Kräutergarten anlegt, empfehlen Kräuterexperten, das eigene Essverhalten genauer zu studieren. Welche Gerichte kommen bei Ihnen zu Hause auf den Tisch? Dementsprechend eignen sich verschiedene Kräuter besonders gut zu Fleischgerichten, andere können für Suppen und Gemüse verwendet werden. Da die ätherischen Öle heilend wirken, kann auch ein kleiner Abschnitt im Beet nur mit Heilkräutern angelegt werden. „Der richtige Standort und ein gesunder Boden sind natürlich immens wichtig“, so der Kräuterexperte Ernst Koch. Auf dem Bio-Hof von Ernst und Maria Kocher nahe Radstadt im Pongau gedeihen auf einem dreiviertel Hektar heimische Kräuter, aus denen naturbelassene und biozertifizierte Teemischungen (www.biokocher.at) hergestellt werden. Hier passiert alles von Hand: Von der Aussaat der Samen über die Ernte der Blätter und Blüten, dem Zerkleinerungs- und Trocknungsprozess bis hin zur Abfüllung. Rund 70 Kräuter aus Garten und Wildsammlung verarbeitet Ernst Kocher für seine Mischungen. „Unser raues Klima verlangt gut geschützte sonnige Plätze. Natürlich ist es dabei wichtig, welche Kräuter ich überhaupt anpflanzen möchte und ob man Wurzeln, Blüten oder Blätter ernten wird. Dazu gibt es eine einfache Grundregel: Schmalblättrige Pflanzen immer abwechselnd zu breitblättrigen pflanzen. Und verwandte Pflanzen nebeneinander eher meiden.“

Einjährig oder mehrjährig
Eine seiner wichtigsten Empfehlungen: „Schauen Sie, was die Natur vorgibt. Wo wachsen diese Pflanzen in der freien Natur? Auf welchem Boden, welchem Standort? Kombinieren Sie Kräuter, die ähnliche Ansprüche an Standort und Boden haben und schauen Sie, dass der Boden sich auch wieder regenerieren kann. Bauern pflanzen auch beispielsweise nach einigen Jahren Getreideanbau an einem Standort dann Kartoffeln.“
Einjährige Kräuter werden jedes Jahr neu gesät bzw. als Jungpflanze gekauft. Dazu zählen z.B. Basilikum, Bohnenkraut, Borretsch, Dille, Kerbel, Kresse und Majoran.
Mehrjährige Kräuter überwintern mit ihrem Wurzelstock und werden für zwei bis mehr Wachstumsperioden gehalten. Darunter fallen z.B. Estragon, Liebstöckel, Oregano, Pfefferminze, Petersilie, Pimpinelle, Rosmarin, Salbei, Sauerampfer, Schnittlauch, Thymian und Zitronenmelisse.
Basilikum braucht es etwas feuchter als andere Kräuter, sollte deshalb in einen Extrakübel gesetzt werden. Auch Rosmarin steht in einem Blumentopf besser als auf dem Beet. Das Kraut wird zwar als winterharte Pflanze verkauft. Sehr kalte Winter übersteht Rosmarin allerdings nicht. Im Kübel kann er einfach in einem hellen Hausflur überwintern.

Harmonie der Kräuter
Petersilie und Schnittlauch immer einige Meter von den Salatbeeten entfernt pflanzen, da der Salat sonst nicht wächst. Auch hier hat der Radstädter Kräuterexperte Ernst Kocher einen Tipp bereit: „Schnittlauch zu Beginn des Jahres ausstechen, den Stock einfach umdrehen und verkehrt wieder einpflanzen.“ Kocher weiß, wie wichtig die richtige Harmonie beim Pflanzen von Wildkräutern ist: „Das ist wie in einem Orchester. Die Harmonie der einzelnen Kräuter zueinander ist wesentlich, damit es funktioniert.“ Gut zusammen passen beispielsweise Salbei, Ysop, Römischer Wermut, Bergbohnenkraut und Weinraute. Kräuter aus dem mediterranen Raum (wie z. B. Rosmarin, Thymian, Oregano, Salbei) lieben es richtig sonnig. Ideal ist ein südseitiger Beetplatz vor einer Natursteinmauer, die vor Wind und Kälte schützt und zusätzlich Wärme abgibt. Die Erde sollte wasserdurchlässig sein. Mischen Sie dazu die Gartenerde 1:1 mit Sand. Ganz wichtig: Sparsam gießen! Warten Sie, bis die Erde nahezu ausgetrocknet ist. Im Sommer genügt es, einmal pro Woche zu gießen. Außerdem können Südkräuter auch Schädlinge vertreiben. Lavendel schützt benachbarte Rosen vor Blattläusen, Salbei vertreibt Kohlweißlinge im Gemüsebeet.
Ein Tipp vom Kräuterexperten Kocher: „Duftpflanzen helfen oft. Wermut neben Ribisel verhindert Läuse.“

Wildwachsende Kräuter
Unter den Begriff der Wildkräuter fallen wild wachsende Pflanzen wie z.B. Löwenzahn, Brennnessel, Schafgarbe, Vogelmiere, Wiesenschaumkraut und auch der Bärlauch. Einige von ihnen, wie etwa der Bärlauch, sind nur schwer zu kultivieren und müssen gesammelt werden. Man findet sie an natürlichen Standorten wie auf Wiesen, in Wäldern oder Auen. Manche Wildkräuter wie beispielsweise die Brennnessel oder die Vogelmiere sind mild im Geschmack und gehören daher zum Wildgemüse. Andere wie etwa die Schafgarbe, das Wiesenschaumkraut und auch die wilden Minzen sind bitter, scharf und / oder sehr aromatisch. Sie zählen zu den Wildgewürzen und werden nur in kleinen Mengen verwendet. Löwenzahn und Bärlauch sind beides.

Kräuter konservieren
Kräuter leben grundsätzlich von Ihrer Frische. Daher empfiehlt es sich, Kräuter so bald wie möglich nach der Ernte oder dem Kauf zu verbrauchen oder zu konservieren. Die klassische Methode, Kräuter zu konservieren, ist das Trocknen in luftigen Räumen, etwa am Dachboden bei möglichst warmer Luft um die 40 Grad. Dabei kann das Wasser rasch entzogen werden und die Kräuter schimmeln nicht. Die Inhaltsstoffe bleiben, wenn in den ersten 24 Stunden eine höhere Temperatur verwendet wird, besser in den Kräutern erhalten. Der Rest der Trocknung kann dann langsam bis zu „rascheltrockenen“ Kräutern erfolgen.
Abraten würde Ernst Kocher von einem Trocknen in Büschel an der Sonne. „Denn da verlieren die äußeren Blätter die Inhaltsstoffe und die inneren Teile faulen.
Kräuter vor Ungeziefer schützen, aber nicht in Plastik lagern. Zum Lagern eignen sich Glasgefäße mit Kork oder Zellophan-Verschluss. Auch Papiersäcke, Kartons oder verschließbares, atmungsaktives Material sind möglich.“
Frische Kräuter haben ihr volles, typisches Aroma. Die leicht flüchtigen Aromastoffe reagieren jedoch empfindlich auf Sauerstoff, Sonnenlicht und Trocknen. Dies führt zu Veränderungen und Verlusten und macht sich bei manchen Gewürzen besonders bemerkbar, so wie bei Kresse, Kerbel, Borretsch, Basilikum, Zitronenmelisse oder Petersilie. Trocknen vermindert hier die Geruchs- und Geschmacksqualität erheblich und hängt mit der erwähnten Empfindlichkeit der Aromastoffe zusammen. Solche Kräuter sollten daher eher eingefroren oder eingelegt (in Essig oder Öl) werden.
Gekaufte Bundware aus dem Gemüse- oder Supermarkt kann für einige Tage in ein Glas Wasser gestellt oder im Kühlschrank aufbewahrt werden. Dazu am besten in ein feuchtes Tuch (Küchenpapier) wickeln und in die Gemüselade geben.


Tipps:

Heilende Gewürznelke
Die Gewürznelke verfeinert Speisen, kann aber auch Zahnschmerzen lindern. Dafür kaut man eine Nelke in der Nähe der schmerzenden Stelle. Ihre ätherischen Öle verhindern, dass sich Bakterien, Pilze oder Viren ausbreiten. Auch im Magen-Darmtrakt räumen sie auf. Schon im alten China war die heilende Wirkung der Gewürzpflanze bekannt. Wegen ihres Aromas wurde sie zur Verbesserung der Raumluft benutzt – wer eine Audienz beim Kaiser hatte, musste vorher auf einer Nelke kauen, damit die Königliche Hoheit nicht durch etwaigen Mundgeruch gestört wurde.


Heilsame Kräutertees
Kamillentee ist wunderbar genießbar aus getrockneten Kamillenblüten und hilft bei Magenproblemen. Tee aus Kümmel-, Fenchel- und Anissamen wirkt auf den Darm entspannend und löst Blähungen. Schlaffördernd ist ein Tee aus Johanniskraut, Hopfen- und Lavendelblüten. Gegen Halsschmerzen hilft Salbeitee, den man auch zum Gurgeln verwenden kann. Tipp: Einen Teelöffel getrocknete Kräuter pro Tasse mit kochendem Wasser übergießen, sieben bis zehn Minuten ziehen lassen und abseihen. Nach Bedarf süßen, und zwar am besten mit Honig, der mit dem feinen Aroma der Kräuter hervorragend harmoniert. Als Haustee heiß oder im Sommer auch kalt sehr beliebt ist Pfefferminztee. Den ganzen Sommer über können Sie Tee aus frischer Pfefferminze oder Zitronenmelisse zubereiten. Hildegard von Bingen empfiehlt dazu, immer wieder auch ein Blatt Zitronenmelisse zur Kräutermischung, zur Aromatisierung in ein Glas Wasser zu geben oder als Tee aufzubrühen und sie schreibt: „Ein Mensch, der sie isst, lacht gerne, weil ihre Wärme die Milz beeinflusst und daher das Herz erfreut wird.“


Für ein aromatisches Öl:
Einfach einige Zweige oder eine Kräutermischung in gutem Branntweinessig oder Olivenöl einlegen. Solche Mischungen sollten gut vier Wochen ziehen. Man kann natürlich noch Knoblauchzehen, Pfefferkörner oder scharfe Chilischoten einlegen. Zum Ansetzen eines Kräuteressigs verwendet man am besten milden Weißweinessig. Die Herstellung ist denkbar einfach: Frische Kräuterzweige, aber auch Gewürze zum Essig mischen, zwei Wochen an einem kühlen Ort ziehen lassen und dann – wichtig – abfiltern. Ob Bohnenkraut, Basilikum, Estragon, Dill, Kerbel, Melisse, Lorbeer, Minze, Rosmarin, Salbei, Thymian oder Zitronenthymian – erlaubt ist, was gefällt!


Trocknen oder einfrieren?
Manche Kräuter, wie etwa Kerbel, Basilikum, Zitronenmelisse und Petersilie, zeigen ihren typischen Geschmack nur in frischem Zustand. Trocknen verändert ihr spezielles Aroma.
Trocknen: Rosmarin, Thymian, Salbei, Majoran, Liebstöckel, Bohnenkraut, Majoran, Minze, Oregano und Zitronenmelisse.
Einfrieren: Petersilie, Dille, Basilikum, Thymian, Estragon, Melisse und Schnittlauch.
Dazu ganze Zweige bzw. Blätter, klein geschnitten in Plastikbehältnissen, Gefrierbeuteln oder in Eiswürfelbehältern portionsweise mit etwas Wasser einfrieren. Tiefgefrorene Kräuter halten sich bis zu einem Jahr.