Criticus

KI – Fluch oder Segen?

Ein Kommentar von Dr. Siegfried Reich,
Geschäftsführer Salzburg Research Forschungsgesellschaft

ChatGPT hat Künstliche Intelligenz populär gemacht, weil wir alle sie ganz leicht nutzen können. Beispiele wie der Beatles-Song „Now and then“, bei dem John Lennons Stimme durch eine KI extrahiert und gemeinsam mit den noch lebenden Beatles eingespielt wurde, zeigen was alles möglich ist. Gleichzeitig wurden auch berechtigte Bedenken laut.

KI kann uns in vielerlei Hinsicht beeinflussen – sowohl positiv wie auch negativ. Dabei vergessen wir oft, dass KI an sich gar nicht neu ist und für viele von uns längst zum praktischen Hilfsmittel geworden ist. Sie ist täglicher Begleiter bei der Routenwahl im Navigationsgerät und dient uns im Auto in Form von Spurhalte- oder Abstandsassistenten. Sie durchforstet seit vielen Jahren das Internet für uns und hilft uns bei sprachlichen Barrieren durch smarte Übersetzungshilfen wie deepl.com oder Google Lens. Damit werden wir effizienter und schneller – sowohl im Privatleben wie auch im Beruf. Gerade im Gesundheitswesen kann KI ein wertvoller Partner sein, um bei Diagnosen zu unterstützen oder Behandlungen zu verbessern. Künstliche Intelligenz kann auch dazu beitragen, Umweltprobleme zu lösen, beispielsweise durch die Optimierung von Energieverbrauch oder Ressourceneffizienz. Das sind nur zwei Beispiele dafür, an denen auch wir im Forschungsinstitut Salzburg Research arbeiten. Wir arbeiten mit KI und entwickeln selbst Algorithmen, um komplexe Probleme zu lösen.

Gleichzeitig birgt KI zahlreiche Gefahren. Wir wissen, dass Teile unseres Arbeitsalltags durch KI ersetzt werden – manche Jobs werden wohl ganz wegfallen. Auch sammeln und speichern KI-Systeme große Mengen an Daten und wir haben daher oft – zu Recht – ein mulmiges Gefühl, was den Datenschutz betrifft. Fehler in der Programmierung oder unzureichende Daten können zu Fehlentscheidungen, Verzerrungen und Benachteiligung führen. Negative Beispiele dafür sind etwa Amazons Bewerbungs-KI, die Frauen benachteiligte, oder Googles Spracherkennung, die männliche Stimmen mit 70 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit deutlich besser erkannte als jene von Frauen. Oder die KI hinter Apple Card, die bei Frauen niedrigere Kreditkartenlimits setzte.

Dass Künstliche Intelligenz nicht per se gut oder schlecht ist, zeigt wohl am besten das Beispiel Arbeitsplätze: zum einen geraten einzelne Berufsfelder in Gefahr, andererseits werden auch neue Arbeitsplätze geschaffen. Und KI kann in manchen Bereichen den Fachkräftemangel kompensieren. Im Prinzip stehen wir vor ähnlichen Fragen wie vor 15 Jahren, als Social Media begannen populär zu werden: Einerseits können wir uns dadurch ganz einfach vernetzen, uns auch mit entfernten Menschen schnell austauschen. Andererseits sehen wir auch die Suchtgefahr, das ständige Vergleichen, das Mobbing, den Missbrauch mit personenbezogenen Daten und leider vieles andere mehr. Aber im Prinzip nutzen die meisten von uns das intensiv im Alltag und würden das auch nicht missen wollen.

Künstliche Intelligenz ist also genauso wenig wie Social Media eine Naturgewalt. Beides wurde von Menschen initiiert, beides hängt stark davon ab, wie wir die Technologie verwenden und welche Ziele wir damit verfolgen. Bei der weiteren KI-Entwicklung müssen wir sicherstellen, dass KI-Systeme ethisch und verantwortungsvoll programmiert und eingesetzt werden. Das bedeutet, dass wir ein besonderes Augenmerk auf sorgfältig ausgewählte Daten für das Einlernen der KI und ausreichendes Testen legen müssen. Dringend benötigt werden Transparenz bei der Verwendung von KI, unabhängige Tests und Qualitätslabels. Und nicht zuletzt brauchen wir vor allem kritische Menschen, die die vorgeschlagenen Empfehlungen hinterfragen und einordnen können.

Künstliche Intelligenz birgt großes Potenzial. Wir müssen jedoch sicherstellen, dass wir die Kontrolle behalten und dass wir die Technologie verantwortungsvoll einsetzen. Es gilt, Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren. Nur so kann KI uns als Gesellschaft zugutekommen.