Wunderwerk Gehirn

Wir benutzen es täglich und dennoch ist es das wohl größte Mysterium des Körpers – unser Gehirn. Vieles ist heute schon erforscht, jedenfalls ist das Gehirn ein Meisterwerk an Komplexität und Vielschichtigkeit, ein unglaublich stoffwechselaktives Organ, das ständig Energie braucht und kontinuierlich mit Nährstoffen, Reizen, Erholung und Anregung versorgt werden will, um bis ins hohe Alter fit und rege zu bleiben.
Text: Doris Thallinger
Fotos: Adobe Stock, Monika Puck, Evelyn Popp-Hadalin

Rund 1,3 bis 1,4 Kilogramm wiegt ein Gehirn – und beherbergt rund 86 Milliarden Neuronen, die die grundlegenden Bausteine des Nervensystems sind. Die Kommunikation zwischen den Neuronen erfolgt über Synapsen, spezialisierte Kontaktstellen, an denen Neurotransmitter freigesetzt werden, um Signale von einem Neuron zum nächsten zu übertragen. Dieser Prozess der Signalübertragung ist die Grundlage aller Gehirnfunktionen. Durch das komplexe Neuronen-Netzwerk ist das Gehirn in der Lage, Informationen zu verarbeiten.

Mit zunehmendem Alter sterben jedoch Neuronen ab, ebenso werden die Verbindungen zwischen ihnen, die Synapsen, abgebaut. Folge: die Hirnleistung nimmt ab. Aber es gibt eine gute Nachricht: Egal, in welchem Alter und zu welchem Zeitpunkt – jeder kann sein Gehirn trainieren, sodass sich neue Synapsen bilden oder vorhandene vergrößern und neue neuronale Netzwerke entstehen.

Die Plastizität des Gehirns

Eine der faszinierendsten Eigenschaften des Gehirns ist seine Plastizität, also die Fähigkeit, seine Struktur und seine Funktion im Laufe des gesamten Lebens zu verändern und anzupassen. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht es dem Gehirn, neue Fähigkeiten zu erlernen, sich an veränderte Bedingungen anzupassen und sogar nach Verletzungen zu regenerieren. Die Neuroplastizität spielt eine wichtige Rolle beim Lernen und für das Gedächtnis, da sie es dem Gehirn ermöglicht, neue synaptische Verbindungen zu bilden und bestehende zu stärken. Die Neuroplastizität erstreckt sich über die gesamte Lebensdauer und: Wir können sie positiv beeinflussen!

Die sechs Säulen der Gehirnoptimierung

Das Gehirn kann auf vielfältige Weise angeregt werden, sowohl durch physische als auch durch mentale Aktivitäten. Diese Stimulation verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit und fördert die geistige Gesundheit.

Gehirntraining

Unser Gehirn liebt Herausforderungen und ist besonders empfänglich für neue Informationen und Erfahrungen. Immerhin ist es ein flexibles Organ, das durch Stimulation wächst und sich anpasst. Gedächtnistraining oder zum Beispiel das Erlernen neuer Sprachen und Fähigkeiten fördern die Flexibilität und regen das Gehirn an, neue neuronale Netzwerke zu bilden. Wer sich ständig neuen Herausforderungen stellt und neues Wissen aneignet, hält sein Gehirn jung und fit – auch bis ins hohe Alter!

Monika Puck, GedächtnistrainingsAkademie Salzburg

„Gedächtnistraining ist viel mehr als ‚sture Kopfarbeit‘“, erklärt Monika Puck, Inhaberin der GedächtnistrainingsAkademie Salzburg, „denn um das Gehirn fit zu halten, braucht es mehr als ein paar Übungen.“ Vielmehr wird beim ganzheitlichen Gedächtnistraining, das in Seminaren und Kursen angeboten wird, der ganze Mensch miteinbezogen, von seinen Gefühlen über die persönliche Einstellung bis hin zu körperlichen Eigenschaften. „Das Wichtigste ist, dass die Menschen verstehen, wie das Gehirn funktioniert, um MIT und nicht GEGEN ihr Gehirn zu arbeiten.“

In den Kursen, die Monika Puck im Rahmen der GedächtnistrainingsAkademie anbietet, stehen unterschiedliche Merktechniken im Fokus, aber ebenso die Wahrnehmung, Konzentrationsübungen, Lektionen, um die Denk-Flexibilität anzuregen, das Finden kreativer Lösungen sowie die Fähigkeit, Assoziationen herzustellen. „Unser Gehirn ist wie ein Netzwerk: Je mehr bereits darin vorhanden ist, desto mehr passt noch dazu. Denn ich muss bereits über Informationen verfügen, um Neues einordnen und Verbindungen herstellen zu können. Darum ist es so wichtig, den Kindern die Welt beizubringen und als Erwachsener stets neugierig zu bleiben.“

Im Sinne dessen empfiehlt Monika Puck auch den sparsamen Umgang mit sämtlichen technischen Hilfsmitteln: „Zuerst einmal selbst denken und eine individuelle Lösung suchen, das hält das Hirn auf Trab!“ Synapsen, die nicht genutzt werden, sterben ab, neuronale Netzwerke werden schwächer.

Evelyn Popp-Hadalin, die die Akademie für Neuromentaltraining in Salzburg führt, bestätigt: „Etwas wirklich verstehen zu wollen, mich damit zu beschäftigen, ein Problem selbst zu lösen, bildet starke neuronale Netzwerke. Darüber hinaus sind Emotionen DER Katalysator schlechthin, damit eine rasche neuronale Vernetzung stattfindet.“

Körperliche Aktivität

Bewegung ist eine der wirksamsten Methoden, um das Gehirn anzuregen. Regelmäßiges Training verbessert die Durchblutung, erhöht die Sauerstoffzufuhr und fördert die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin, die die Stimmung und das Wohlbefinden heben. Studien zeigen außerdem, dass körperliche Aktivität das Wachstum neuer Neuronen sowie die Bildung von Synapsen fördert. Besonders Ausdauersportarten wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren werden positive Auswirkungen auf die Gehirnfunktion und Neuroplastizität zugeschrieben.

Brain Food

Evelyn Popp-Hadalin, Akademie für Neuromentaltraining Salzburg

Wie auch für den Rest des Körpers ist eine ausgewogene Ernährung die Basis für ein gesundes, reges Gehirn. „Obst und Gemüse – das Gehirn mag es bunt!“, erklärt Monika Puck, „Idealerweise verzichtet man auch auf Fertiggerichte und, soweit möglich, auf Zucker. Besonders wichtig ist es, ausreichend Wasser zu trinken, ein dehydriertes Gehirn funktioniert nicht einwandfrei!“ Neben Antioxidantien in Obst und Gemüse (insbesondere in Beeren) sind vor allem Omega-3-Fettsäuren, die in fettem Fisch, in Nüssen und Samen enthalten sind, wichtig für die Gehirnentwicklung und -gesundheit.

Soziale Interaktion

Soziale Kontakte sind ein wichtiger Stimulus für das Gehirn. Gespräche, gemeinsame Aktivitäten und soziale Bindungen fördern die Freisetzung von Oxytocin, einem Hormon, das positive Emotionen verstärkt und Stress abbaut. Soziale Interaktionen aktivieren auch verschiedene Gehirnregionen, die für Empathie, Kommunikation und Problemlösung verantwortlich sind. Der regelmäßige Austausch mit Freunden und Familie, das Pflegen von Hobbys in Gruppen oder die Teilnahme an sozialen Veranstaltungen halten das Gehirn aktiv.

Schlaf und Regeneration

Aber nicht nur Anregung und Herausforderung halten unser Gehirn fit. Ebenso wichtig für die Gehirngesundheit ist die Erholung. Vor allem ausreichend und qualitativ hochwertiger Schlaf ist entscheidend dafür, dass unser Gehirn richtig funktionieren kann. Während des Schlafs verarbeitet das Gehirn die Erlebnisse des Tages, speichert Informationen, konsolidiert Erinnerungen und beseitigt Stoffwechselendprodukte, die sich während des Wachzustands ansammeln. Schon ein Powernap von 20 Minuten kann das Gehirn stärken und seine Leistung verbessern. Schlafmangel hingegen kann zu Konzentrationsproblemen, Gedächtnisverlust führen.

Das richtige Mindset

Um auch im Alter geistig fit und rege zu sein, hilft eine positive Lebenseinstellung ungemein. Immerhin weiß man, dass auch chronischer Stress das Gehirn schädigen kann. Positive Emotionen und Lachen stimulieren das Belohnungssystem des Gehirns, fördern die Ausschüttung von Endorphinen und helfen damit, das Stressniveau zu senken. Außerdem verbessern positive Gefühle sogar die kognitive Flexibilität und fördern kreatives Denken.

Unser Gehirn freut sich also über jede Technik zur Stressbewältigung, sei es Yoga, ein entspannendes Hobby, Sport oder Meditation. Diese kann, regelmäßig praktiziert, sogar die Struktur des Gehirns verändern, indem sie die Dichte der grauen Substanz in Bereichen erhöht, die für Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind.

Neuromentaltraining

Ebenfalls auf Gehirnoptimierung zielt das sogenannte Neuromentaltraining ab. Hierbei geht es jedoch nicht um Veränderungen bzw. Verbesserung der Gedächtnisleistung, sondern um die Veränderung des Denkens. Nach dem Prinzip der Neuroplastizität werden neue neuronale Verbindungen geschaffen oder gestärkt, um negative und kontraproduktive Denkmuster, wie überholte Glaubenssätze oder Blockaden, aufzulösen.

„Wenn Menschen wissen, wie ihr Gehirn arbeitet, gehen sie leichter in die Veränderung“, erklärt Evelyn Popp-Hadalin, die für ihre Arbeit in der Akademie für Neuromentaltraining die Erkenntnisse der Gehirnforschung nutzt und mit praktischen Methoden des Mentaltrainings und der Neuro-Didaktik kombiniert.

Basis für jede Veränderung ist es, sich seiner Gedanken bewusst zu werden. „Welche Gedanken gehen mir den ganzen Tag durch den Kopf? Wir denken gar nicht darüber nach, was wir denken und ob diese Gedanken überhaupt (noch) eine Richtigkeit für uns haben. Ohne Bewusstsein über unsere Gedanken gibt es keine Veränderung.“

Doch auch wenn man sich seiner Gedanken bewusst ist, steht man vor einer Herausforderung – diese zu ändern. „Unser Gehirn arbeitet grundsätzlich sehr energieschonend – darum mag es Veränderungen nicht unbedingt. Natürlich ist es bequemer, sich Gedanken darüber zu machen, warum das Leben so verläuft, zielführend ist es allerdings, darüber nachzudenken, was man wirklich möchte, welche Werte einem wichtig sind.“

In ihren Ausbildungen sowie in den individuellen Coachings im Bereich Neuromentaltraining und Persönlichkeitsentwicklung verfolgt sie einen lösungsorientierten Ansatz, bei dem Werte- und Zielarbeit zentrale Bestandteile sind.

„Einen Gedanken zu verändern, braucht Zeit und unterschiedliche Methoden. Dies ist ein Prozess von vielen kleinen Schritten, bis ich Gedanken und Gewohnheiten verändert habe. Jeder Gedanke, den ich oft denke, der am besten von starken Emotionen begleitet ist, führt zu einem neuen neuronalen Netzwerk, das mit jedem Gedanken stärker wird. Ein Prozess, der in vielen Fällen tatsächlich das Leben verändert!“