Wenn Liebe toxisch wird
Das im März neu erschienene Buch von Ruth Marquardt und Sandra Günther ist ein Ratgeber für alle Frauen, die das Gefühl haben, in einer ungesunden Beziehung zu leben. Die Autorinnen nehmen sich vor, über alle Aspekte von toxischen Beziehungen zu informieren und Betroffenen Auswege zu bieten.
Partnerschaft ist in keiner Weise ein Ponyhof, wer sich dazu entschließt, gemeinsam einen Weg zu gehen, ist niemals davor gefeit, dass es manchmal auch richtig kracht. Doch zwischen einem ausgeprägten Beziehungsstreit und einer toxischen Beziehung existiert ein haushoher Unterschied. Während man den Streit in der Regel als solchen wahrnimmt, wird eine toxische Beziehung oft nicht bemerkt. Dies liegt vor allem daran, dass sich eine solche schädliche Verbindung erst langsam aufbaut, kehrt nach den Schmetterlingen im Bauch langsam Alltag ein, sind die giftigen Veränderungen erst langsam bemerkbar. Es beginnt mit kleinen abwertenden Bemerkungen und kann mit psychischen und sogar physischen Verletzungen enden. Innige Gefühle und Vertrautheit wechseln sich mit dem Gefühl zurückgewiesen zu werden und emotionaler Kälte ab. So gerät man in eine innere Abhängigkeit, die der Partner schamlos ausnutzt. Was hier entsteht ist ein Machtspiel, in dem einer erdrückende Macht und starke Kontrolle über das gesamte Leben des anderen ausübt. Es ist ein Ritt der Emotionen, bei denen das Leid bei weitem überwiegt.
Gewinnspiel
Wir verlosen 3 Ausgaben des Buches
„WENN LIEBE TOXISCH WIRD“
von Ruth Marquardt und Sandra Günther.
Das Gift erkennen
Nur wer das Gift kennt, kann das richtige Gegengift finden, sagt die Medizin. Gerade in toxischen Beziehungen ist es besonders schwierig zu erkennen, dass man überhaupt in einer solchen lebt. Hier geben die Autorinnen den wertvollen Rat, für sich zu überprüfen, ob man sich in der Beziehung sicher und geborgen fühlt. Wenn ein Streit die Gefühle füreinander nicht im Innersten erschüttert, befindest man sich in einer sicheren, nährenden Beziehung. Ein eher schlechtes Zeichen ist eine Beziehung, in der man nicht mit und nicht ohne den Partner kann. Auseinandersetzungen entstehen aus Kleinigkeiten heraus und eskalieren dann oft völlig, beide finden keine kommunikativen Ebenen, um das Problem zu lösen, es folgt Stille oder räumliche Trennung. Nach einiger Zeit hält es ein Partner nicht mehr aus und kommt zurück, das Problem bleibt aber ungelöst, das aufbrausende Verhalten besteht weiter und die Spirale dreht sich wieder und wieder im Kreis und verschlimmert sich langsam. Oft ist es so, dass es in toxischen Partnerschaften einen sehr dominanten Mann und eine zurückhaltende Partnerin gibt. Wenn man beginnt, sich selbst die Schuld am Verhalten des Partners zu geben und seine eigenen Tätigkeiten an der Reaktion des anderen abzuwiegen beginnt, deutet das verstärkt auf eine toxische Beziehung hin, aus der man sich befreien sollte.
Love Bombing
Oft beginnen toxische Beziehungen mit dem sogenannten ‚Love Bombing‘. Hierbei handelt es sich um das Überschütten von Liebe und Aufmerksamkeit in der ersten Dating-Phase. Hier sollte man sich immer wieder fragen, ob es nicht ein Zuviel des Guten ist. Auch wenn zu früh vom Zusammenziehen oder Heiraten gesprochen wird oder wenn die gemeinsame Zukunft vom „Neuen“ bei jeder Gelegenheit in den schönsten Farben ausgemalt wird, sollte man vorsichtig werden. Die Buchautorinnen raten, bewusst etwas mehr Distanz einzufordern, klarzustellen, dass man noch länger nicht bereit ist einen neuen Schritt in der Beziehung zu gehen und immer wieder mit guten Freundinnen abzugleichen, ob man sich noch in der normalen Schmetterlingsphase befindet, oder schon mitten im ‚Love Bombing‘ steckt. Auch ein Gespräch mit einem Psychologen kann hier Klarheit geben.
Intelligenz, Sex und andere Stolpersteine
Gerade intelligente Frauen lieben es, sich zu batteln und spannende Diskussionen mit dem Partner zu führen. Da toxische Männer oft narzisstisch und sehr erfolgreich sind, gibt es genügend Stoff um den sich immer und immer wieder diese kleinen, am Anfang noch sehr anregenden Streitgespräche drehen, die aber im Laufe der Zeit immer mehr darin enden, dass die Werte der Frau langsam aber sicher demontiert werden, bis diese nichts mehr dagegenzuhalten hat.
DIE AUTORINNEN
Sandra Günther
Sandra Günther ist Rechtsanwältin mit den Fachgebieten Familien-, Scheidungs- und Strafrecht. Diverse Verfahren, die sie als Strafverteidigerin und Opferanwältin geführt hat, wurden von Print- und TV-Medien begleitet. Aktuell steht sie als Strafverteidigerin in dem TV-Format „Ulrich Wetzel – Das Strafgericht“ vor der Kamera. Ihre Rechtstipps erreichen über TikTok mehr als 11.000 Follower.
Ruth Marquardt
Ruth Marquardt ist als systemisch ausgebildete Familienberaterin und Hypnotherapeutin in verschiedenen TV-Formaten und -Sendern präsent und regelmäßig als psychologische Beraterin tätig. Sie engagiert sich ehrenamtlich für die Stiftung It’s for Kids und hat den Verein MitMenschlichkeit ins Leben gerufen. Da sie selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde, weiß sie aus persönlicher Erfahrung, wie massiv ein solches Erlebnis das Leben beeinflusst.
Ein weiterer Vorsichts-Faktor ist nach den Autorinnen guter, ja perfekter Sex. Toxische Männer sind „Sexperten“. Romantische Musik, eine Flasche Wein und Kerzenschein, all das beherrschen sie perfekt. Ebenso wie die Verführung, bezaubernde Komplimente über den wundervollsten Frauenkörper, den sie je gesehen habe und natürlich alle Finessen des Liebesspiels. Doch sie tun dies nicht etwa für die Frau, sondern um ihr Ego zu stärken. Oft fragen sie nach dem Sex, wie sie waren. Hier lauert große Gefahr, denn viele Frauen haben davor schon viele sexuelle Enttäuschungen erlebt und können sich dann aus diesem Grund nur schwer wieder von dem Mann und dem heißen Liebesspiel losreißen. Auch wenn der Rest immer schlimmer wird.
„Wenn du dich in der Beziehung sicher und geborgen fühlst, wenn ein Streit eure Gefühle füreinander nicht im Innersten erschüttern kann, befindest du dich in einer sicheren, nährenden Beziehung.“
Ruth Marquardt und Sandra Günther
Langsamer Kontrollverlust
Eine toxische Beziehung erkennt man vor allem daran, dass sie langsam immer belastender wird. Die Partnerin wird systematisch immer mehr abgewertet und mit Aussagen wie „Du bist an allem schuld, du bist ja nicht ganz dicht, du kannst dieses oder jenes einfach nicht richtig machen“, prägen Auseinandersetzungen und im Umkehrschluss übernimmt die Zurechtgewiesene auch das Gedankengut des Mannes. Gerade empathische Frauen neigen oft dazu, diese Vorwürfe zu glauben und nehmen es auf ihre Kappe, dass die Beziehung so schlecht läuft. Damit gibt man dem toxischen Partner aber nur noch mehr Macht. Geschickt nutzt der Partner das Spiel von Nähe und Liebesentzug, von Kontrolle und Vorwürfen. Vor allem wenn Kinder im Spiel sind, sind Frauen eher bereit, Zugeständnisse zu machen, um ein Minimum an Frieden zu erhalten. Wobei aber ein schnelles Ende die beste Lösung wäre. Denn oft enden diese psychologischen Degradierungen, die die Frau als Versagerin abstempeln, am Ende in körperlicher Gewalt.
WENN LIEBE TOXISCH WIRD
von Ruth Marquardt und Sandra Günther
Goldegg Verlag
Softcover, 352 Seiten
Erschienen am 5. März 2023
978-3-99060-325-3
Den Schlussstrich ziehen
Hat man erkannt, dass man in einer toxischen Beziehung ist, wird es Zeit, den Schlussstrich zu ziehen. Dieser Kampf ist sicher einer der schwierigsten, vor allem wenn die Beziehung schon lange andauert. Er wird mit allen Mitteln versuchen, sie davon abzubringen, sei es mit der Androhung von Selbstmord, Stalking oder Drohungen. Hier gilt es stark zu bleiben und Konsequenz zu zeigen. Hier ist man nicht allein. Gute Freundinnen erkennt man daran, dass sie einen immer aufnehmen. Richterliche Anordnungen wie Annäherungsverbote helfen Betroffenen und das Blockieren des Ex auf allen Social-Media-Kanälen kann ebenfalls ein wichtiger Schritt sein, um sein Leben wieder zurückzugewinnen. Sind Besitz getrennt und die gemeinsame Wohnung aufgelöst, hat man das Schlimmste hinter sich und kann sein Leben wieder mehr genießen. Sind Kinder oder gemeinsame Verträge im Spiel, dauert dies aber um einiges länger und es benötigt noch mehr an Kraft und Unterstützung. Dafür kann man sich danach wieder auf die schönen Seiten des Lebens konzentrieren.
„Wenn der eigene Freundeskreis irgendwann kaum mehr vorhanden ist, weil der Partner dich sukzessive abschottet und deine Freunde schlecht macht, ist höchste Vorsicht geboten.“
Top oder Flop?
Die beiden Autorinnen Sandra Günther und Ruth Marquardt geben jede Menge wichtige Anregungen, wie man eine toxische Beziehung erkennt, wie man sich daraus befreit und von wem man welche Hilfe bekommt. Für Frauen, die sich nicht wohl in ihrer Beziehung fühlen, oder die vermuten, dass eine Freundin in einer solchen giftigen Beziehung steckt, ist das Buch der ideale Check-up bei jedem Schritt des Weges. Leider wurden aber alle anderen Möglichkeiten außer der Trennung außen vor gelassen, so könnte eine gemeinsame Therapie oder Mediation eventuell auch Ergebnisse liefern und der Mensch, für den noch Emotionen da sind, hätte die Chance sich zum Besseren zu verändern. Ein weiteres Manko ist, dass es mit Sicherheit auch toxische Frauen gibt und Männer das Opfer einer toxischen Beziehung sein können. Leider wird auch darauf nicht eingegangen, der Perspektivenwechsel wäre aber ein interessanter gewesen.
Was den Autorinnen wirklich gelingt ist, nicht um das Thema herumzureden. Hier werden die Fakten klar auf den Tisch gelegt und Lösungsmöglichkeiten geboten. Das Know-how von Ruth Marquardt und Sandra Günther ist im Buch zu spüren und auch die Hingabe, mit der sie Frauen, die in schrecklichen Beziehungen stecken, helfen wollen. Zwar gibt es sicher auch viele vergiftete Beziehungen, an denen beide Partner gleichermaßen schuld sind, aber die Faktoren, die eine toxische Person ausmachen, sollte man zumindest einmal gehört haben. So ist man selbst schon in der Verliebtheitsphase sicher und kann auch dem Freundeskreis mit Rat und Tat zur Seite stehen, denn eines ist sicher: Toxische Beziehungen sind gar nicht so selten.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Sandra Günther, Julia Schambach, Goldegg Verlag