
„Im wertschätzenden Miteinander kann viel Gutes entstehen“
Text: Doris Thallinger
Fotos: www.kaindl-hoenig.com
Am 1. Jänner 2020 übernahm die promovierte Juristin Waltraud Rathgeb die Leitung der UNIQA Landesdirektion Salzburg. Im Interview zieht sie ein Resümee über zweieinhalb spannende Jahre, spricht über ihren Werdegang, Erfolgsrezepte und die Herausforderungen von Familie und Karriere.

Sie haben 1987 als erste Frau bei der (damals noch) Bundesländer Versicherung begonnen. Wie kann man sich die Situation zu der Zeit für Sie als Frau vorstellen?
Ich war damals nicht nur die erste Schadenreferentin, sondern auch die erste Juristin. Es war schon etwas Besonderes, weil man mich anfangs als nicht ganz dazugehörig betrachtet hat: Was wird diese Frau jetzt machen? Wie wird sie agieren? Aber das hat sich binnen kurzer Zeit gewandelt, wir sind sehr schnell ein tolles Team geworden.
Seit nunmehr 35 Jahren stehen Sie in den Diensten der heutigen UNIQA Versicherung. Was waren in dieser Zeit für Sie die größten Meilensteine?
Nicht nur, dass ich erste Schadenreferentin und Juristin war, ich bin 1992 Gruppenleiterin geworden und war damit für die Führung von Mitarbeiter:innen zuständig. Das war etwas, das ich immer sehr gern getan habe: mit Menschen arbeiten! 2012 gab es bei UNIQA österreichweit eine große Umstrukturierung im Schadenbereich. In diesem Projekt war ich führend dabei, habe parallel dazu in Salzburg einen Schadenstandort aufgebaut und war als Teamleiterin für die Bundesländer Tirol, Salzburg und Vorarlberg zuständig. 2015 habe ich die Leitung für den Haftpflichtschaden für ganz Österreich mit Standort Salzburg übernommen. Der letzte Meilenstein war 2020 die Übernahme der Landesdirektion inklusive Vertriebsführung – ein Novum für mich. Und noch dazu kam zweieinhalb Monate später Covid – ein Novum für uns alle.
Seither sind nun fast drei Jahre vergangen. Wie lautet Ihr Fazit über Ihre bisherige Zeit als Landesdirektorin?
Es war eine sehr anstrengende und besondere Zeit, auch im Zusammenhang mit Covid, aber vor allem eine ganz, ganz tolle Zeit, die ich niemals missen möchte. Ich habe so viele unterschiedliche Menschen kennengelernt, bin mit so vielen unterschiedlichen Themen konfrontiert worden und lerne jeden Tag etwas Neues dazu. Insofern waren es zweieinhalb Jahre, die sehr erfolgreich waren, trotz der Umstände, die eben so sind wie sie sind.
Großen Respekt und Dankbarkeit habe ich gegenüber meinen Assistentinnen, den Führungskräften und den Mitarbeiter:innen, die mich bestens unterstützen – denn meine Devise war und ist: Im wertschätzenden Miteinander schaffen wir alles!
Hätte Sie auch einmal eine andere Branche gereizt?
Mein ursprünglicher Plan war, in die Selbstständigkeit zu gehen und eine Anwaltskanzlei zu eröffnen, das ging aber damals als junge Mutter einer kleinen Tochter nicht. Später habe ich in meinem Beruf durch die Regulierung von Arzt-Haftpflichtschäden sehr großes Interesse am Gesundheitsbereich entwickelt. Da stand für mich schon einmal zur Debatte, als Juristin in diesen Gesundheitsbereich zu wechseln. Es hat sich aber aus verschiedensten Gründen anders ergeben und im Nachhinein ist es gut so.
Ihre Tochter haben Sie mit 23 Jahren zur Welt gebracht, bei der Geburt Ihres Sohnes waren Sie 41. Warum der große Abstand? Der Karriere geschuldet?
Der Abstand hat nichts mit meinem Beruf zu tun, sondern ist rein privater Natur. Der Unterschied war natürlich ein enormer, denn ich war mit 23 mitten im Studium, das heißt: Uni-Besuche, Lernen, Kinderbetreuung organisieren, schlaflose Nächte, Prüfungsdruck… Eine Woche vor der Geburt habe ich meine letzte Prüfung absolviert, das war schon sehr anstrengend. Damals habe ich mir geschworen, wenn ich noch ein Kind bekommen werde, möchte ich ein bisschen mehr Zeit haben, um mich auf das Thema Geburt und Kind vorbereiten zu können.
Das ging mit 41 Jahren, als mein Sohn auf die Welt kam, ganz gut: Ich war in einem fixen Angestelltenverhältnis, hatte Mutterschutz und Karenzzeit – ganz anders als bei meiner Tochter. Von daher kann man diese zwei Lebensphasen nicht vergleichen und auch nicht sagen, was Vor- oder Nachteile hat, weil es so komplett unterschiedliche Bedingungen waren.
Wie ist Ihnen danach der Wiedereinstieg geglückt?
Ich habe bereits in der Karenzzeit wieder gearbeitet und das gesetzliche Mindestmaß an Stunden, das ich machen durfte, ausgenützt. Mir war es wichtig, in der Funktion – ich war damals schon Gruppenleiterin und hatte Mitarbeiterführung – und auch im Unternehmen am Laufenden zu bleiben. So ist der Wiedereinstieg eigentlich 1 zu 1 gelungen. Das war eine gute Entscheidung und hat mir für meine weitere berufliche Karriere sehr geholfen.
Welche persönlichen Kompromisse sind Sie zugunsten der Karriere eingegangen? Und welche beruflichen zugunsten Ihrer Familie?
Persönlich bin ich schon große Kompromisse eingegangen, indem ich auf viel Freizeit und meine Hobbys – zugunsten der Arbeit – verzichtet habe. Für die Familie habe ich sicher das eine oder andere Jobangebot UNIQA-intern ausgeschlagen, weil für mich eine Ortsveränderung nie in Frage kam. Ich wollte mit meiner Familie in Salzburg bleiben, ich liebe Salzburg!
Wie sehen Sie persönlich die heutige Situation für Frauen – sind wir bei einer gewissen Gleichberechtigung angekommen?
Ich glaube, man muss zurückschauen: Was in den vergangenen hundert Jahren passiert ist; es ist enorm, wie viel sich für Frauen ins Positive gewandelt hat. Wir haben sehr, sehr viel geschafft und es hat dafür vieler mutiger, starker Frauen bedurft. Es ist sicher noch nicht alles ganz so, wie es sein sollte, es gibt immer wieder Dinge, die anpassungsfähig sind, aber der Kurs ist der richtige.
Welche Lösungen bieten Sie Frauen in Ihrem Unternehmen an, um Familie und Karriereplanung besser vereinbaren zu können?
Ich bin überzeugt, dass wir Frauen sehr gute Chancen für eine Verbindung von Arbeit und Familie bieten können, auch für eine weitere Karriere. Wir haben auf der einen Seite das Gleitzeitsystem, das Eltern generell zugutekommt. Wir haben auf der anderen Seite die digitale Aus- und Weiterbildung, damit kann das berufliche Weiterkommen gut mit der Familie vereint werden. Ich selbst bin noch 12 Wochen im Jahr zur Ausbildung in die Nähe von Wien gefahren und musste immer schauen, wie in der Zeit meine Tochter versorgt wird. Eines der wesentlichsten Merkmale ist aber auch das Verständnis der Führungskräfte für die Sorgen und Themen der Frauen. Ich glaube, dass wir das in Salzburg gut leben. Ich lebe es hoffentlich gut vor und versuche, dass auch meine Führungskräfte diesen Aspekt betrachten und Verständnis für Frauen haben.
Was machen Ihre Kinder, die ja nun auch schon erwachsen sind?
Meine Tochter ist mittlerweile 39, hat Medizin studiert, einen Hotelier geheiratet und zwei Kinder im Alter von 6 und 4 Jahren. Ja, ich bin auch schon zweifache Großmutter, das ist wunderschön! Mein Sohn ist nach der Matura nach Wien gegangen und studiert an der Fachhochschule im 5. Semester Informatik. Das ist etwas, was er immer machen wollte – nur nicht Jus oder Medizin!
Was war Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder wichtig, worauf haben Sie Wert gelegt?
Respektvoller Umgang mit Menschen war mir immer sehr wichtig, Offenheit und Vertrauen, aber auch, einen gewissen Ehrgeiz zu haben. In unserem Familienverband gilt auch, dass wir immer für unsere Kinder da sind und sie unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen. Einen wichtigen Rat hab ich von meinem Vater, der mittlerweile 90 ist, übernommen: Wenn du ein Problem hast, schlaf einmal drüber, es schaut am nächsten Tag vieles ganz anders aus! Mit diesem Motto bin ich selbst sehr gut durchs Leben gekommen. Es ist nur ein Perspektivenwandel – man denkt am nächsten Tag oft auch schon anders. Es ist einfach, aber sehr effizient.
Was ist darüber hinaus Ihr persönliches Erfolgsrezept?
Ich glaube, ich bin sehr offen Menschen gegenüber, die Ruhe in Person und ich bleibe immer gelassen. Das ist etwas, das man hat oder nicht hat – und das habe ich. Das kommt einem im Leben sehr zugute. Mir ist es sehr wichtig, mit jedermann und jederfrau einen wirklich wertschätzenden Umgang zu pflegen. Ansonsten versuche ich, so zu sein, wie ich bin – authentisch eben.
Wie schaffen Sie den Ausgleich zu Ihrem Beruf? Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Ich brauche zu meiner geistigen Arbeit immer auch die körperliche Arbeit. Das ist Gartenarbeit, Feldarbeit, Holzarbeit – wir haben ein kleines Bauernhaus mit Grund dabei. Ich brauche auch diesen Bezug zu den Dingen, so bin ich aufgewachsen und für mich ist das befreiend. Außerdem walke ich sehr gerne, im Winter mache ich Skipisten-Touren – ich sag das bewusst so, größere Touren schaff ich nicht, dafür reicht meine Kondition nicht. Und ich lese sehr gerne.
Welche Ziele und Wünsche haben Sie für die Zukunft? Was möchten Sie in Ihrer Position noch erreichen?
Ich möchte ganz persönlich einen erfolgreichen Abschluss als Landesdirektorin hinlegen, das wird in absehbarer Zeit erfolgen – ich bin ja schon im 63. Lebensjahr. Erfolgreich heißt für mich, dass ich auf der einen Seite die Ziele erfülle. Auf der anderen Seite aber auch, dass der Umgang, die Kommunikation untereinander im Unternehmen ein wertschätzender ist und so weiter besteht. In einem wertschätzenden Miteinander kann ganz, ganz viel Gutes und vor allem gute Leistung entstehen.
Was sind Ihre persönlichen Pläne?
Auf der einen Seite ist es mir sehr, sehr wichtig, dass ich mir, auch jetzt schon, während meiner Arbeitszeit, viel Zeit für meine Eltern nehme, die sind 90 und 87 Jahre alt, und auch wirklich bewusst Zeit mit meinen Enkelkindern verbringe, denn die werden so unheimlich schnell groß.
Auf der anderen Seite habe ich vor, noch irgendeine Ausbildung zu machen, die ich ehrenamtlich in der Pension ausführen kann. Ich fang natürlich zunehmend an nachzudenken: Was machst du in der Pension? Mir geht es Gott sei Dank noch sehr gut, bin gesundheitlich fit, bin gern mit Menschen unterwegs. Ich glaube, wenn ich dann keine Arbeit oder kein Amt in irgendeiner Form habe, wird mir ein bisschen langweilig.
Wofür sind Sie dankbar?
Ich bin dankbar dafür, dass das Leben es so gut mit mir gemeint hat, dass wir eine tolle Familie haben, dass meine Eltern noch leben, wir alle gesund und von Schicksalsschlägen verschont geblieben sind. Ich bin dankbar für das tolle Berufsleben, das ich habe, dankbar für wunderbare Freundschaften und dankbar, dass ich in dem wunderschönen Land Salzburg leben darf.