Vom kleinen Glück zu Hause

Text: Natalie Zettl

Fotos: BestForYou, dennisbrandsma, - stock.adobe.com

Spätestens seit dem ersten Lockdown im Frühling liegt es (zwangsweise) im Trend: Cocooning – der Rückzug aus der Öffentlichkeit in das eigene Zuhause. Wir haben uns angesehen, was es mit der Betonung der Gemütlichkeit in den eigenen vier Wänden auf sich hat.

Nirgends ist es schöner als daheim!“ Das wusste bereits Dorothy aus dem Film „Der Zauberer von Oz“. Aber während sich Dorothy mit geflügelten Affen, bösen Hexen und einem unheimlichen Zauberer herumschlagen muss, haben wir aktuell andere Probleme: Die allgegenwärtige Unsicherheit, was das Gesundheitsrisiko und auch die wirtschaftliche Zukunft betrifft, zieht einen förmlich in die Gemütlichkeit des Zuhauses – gerade jetzt, in der kalten Jahreszeit.

Aufatmen und Entspannen
Cocooning ist – auch wenn der englische Begriff zu der Annahme verleitet – keine Erscheinung aus dem 21. Jahrhundert. Bereits in den 1980er-Jahren beschrieben Sozialforscher den gesellschaftlichen Rückzug nach Hause. Wohnpsychologin Barbara Perfahl erklärt die Entstehung des Phänomens Cocooning: „Die Achtziger Jahre waren die Zeit, in der man sich der Welt geöffnet hat – in der man ausging, feierte… Cocooning war die – dringend benötigte – Gegenbewegung dazu.“ In den letzten zehn Jahren hat sich der Trend zum Cocooning noch verstärkt – möglicherweise getrieben von der immer schneller werdenden digitalen Welt. Erholung spielt dabei eine große Rolle: Beim Cocooning geht es darum, sich zurückzuziehen und sich der „Welt draußen“ für einen gewissen Zeitraum zu verschließen. Man könnte also auch von einem Aufladen des inneren Akkus sprechen. „Das Rückzugsthema ist in der Wohnwelt sehr präsent, so Barbara Perfahl. „In den Privatraum hineinzugehen und alles andere einmal außen vor zu lassen, ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen.“ Selbst die extrovertiertesten Personen brauchen laut Barbara Perfahl eine Zeit, in der sie sich zurückziehen und alle Rollen ablegen können – denn zu Hause muss man nicht Chef, Lehrerin oder auch nur lustige Freundin sein. Man kann ganz authentisch sein. Alleine Zeit zu verbringen, ist also eine wichtige Erfahrung – gerade für vielbeschäftigte Personen. „Für die dreifache Mutter ist es möglicherweise sogar besonders wichtig, manchmal Zeit für sich zu haben – ganz ohne äußere Einflüsse.“ Trotzdem muss man zum Cocooning nicht zwangsläufig allein sein: Auch als Familie oder als Paar kann man sich zurückziehen und es sich (miteinander) gemütlich machen. Zusatztipp der Expertin: Digital Detox bringt noch mehr Entschleunigung. Es lohnt sich also, Smartphone und Laptop einmal auszuschalten und sich auf sich selbst zu besinnen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Die eigene Wohnung aktiv gestalten
Gerade im Herbst und Winter ist Cocooning ein Thema: „Im Frühling und Sommer will man natürlich nach draußen und entspannt eher am See oder in der Natur“, so Barbara Perfahl. „Wenn es dagegen draußen kälter wird, genießen wir den Rückzug.“ Zu diesem Genuss kann die Einrichtung der eigenen Wohnung einen entscheidenden Faktor beitragen. Der Klassiker sind Gegenstände, die beim Entspannen helfen, wie beispielsweise Kuscheldecken und Polster – dieses Jahr gerne aus Stoffen mit Struktur. Doch dabei gibt es eine nicht zu vernachlässigende individuelle Komponente: Was der eine als gemütlich empfindet, kann den anderen schnell erdrücken. Barbara Perfahl dazu: „Tatsächlich ist es sehr unterschiedlich, wie Menschen am liebsten wohnen: Manche können sich zum Beispiel in einer klaren, glatten, reizreduzierten Umgebung am besten entspannen, weil sie sie als entschleunigend empfinden.“ Auch Martin Zirngibl, Inhaber der Salzburger Einrichtungsfirma Zirngibl, empfiehlt, sich beim Thema Einrichtung auf das eigene Gefühl zu verlassen: „Das Wohnkonzept sollte immer zum Bewohner passen. Man kann natürlich Trends einarbeiten – aber letztlich ist es am wichtigsten, dass man sich in den eigenen vier Wänden wohlfühlt.“ Wer sich nicht sicher ist, wie er sich am wohlsten fühlt, findet Inspiration in Wohnmagazinen.

Sanftes Licht maximiert Entspannung
Ein Tipp gilt allerdings für jeden: Für das Cocooning-Feeling sollte die Beleuchtung gedämpft sein – sich also deutlich von der grellen Arbeitsbeleuchtung abheben. Den gewünschten Effekt bringen Steh- und Tischlampen, die die Deckenbeleuchtung ergänzen und für eine gemütliche Atmosphäre sorgen. Zudem soll das gedämpfte Licht nach einem anstrengenden Arbeitstag die Augen entspannen und einen mental auf die Nachtruhe einstimmen. Wer keine Steh- oder Tischlampen mag, kann diesen Effekt auch mit einer dimmbaren Deckenleuchte erreichen. „Generell haben wir die Erfahrung gemacht: Für den Abend zu Hause sollte auch die Deckenlampe dimmbar sein“, so Julia Gehmacher.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Herzstück Sitzecke
Klassische Gemütlichkeit erreicht man mit „Kuschel-Accessoires“, also vor allem Decken und Kissen. Sie lassen sich auf der Couch im angesagten Layer-Look arrangieren – also übereinander. Holly Potter, Interior Designerin bei der Firma Gehmacher, zeigt zusammen mit Julia Gehmacher, wie es geht: Eine weiche Decke wird über das Sofa drapiert, dann wird ein großes Kissen davorgesetzt. Verschiedene kleinere Kissen werden davor und daneben platziert und runden den Effekt der „Kuscheloase“ ab. Möchte man Accessoires in auffälligen Farben benutzen, bietet sich ein Sofa in einer eher neutralen Farbe an: „Künstler starten ja auch mit der eher unauffälligen Grundierung der Leinwand“, so Holly Potter. „Zum Beispiel ist die Kombi graues Sofa mit altrosa Deko wirklich schön.“ Aber nicht nur Kissen und Decken machen es gemütlich – auch olfaktorisch sollte der Raum etwas zu bieten haben: „Um das Cocooning-Feeling richtig zu genießen, sollte man alle Sinne miteinbeziehen. Ein wohlriechender Raumduft macht die Entspannung perfekt.“ Und um auch den Geschmackssinn zu stimulieren, darf es vielleicht auch ein Teller mit Lieblingssüßigkeiten sein, der ansprechend auf dem Beistelltisch platziert wird.

Privatsphäre mit Stil: Vorhänge
Wohnpsychologin Barbara Perfahl gibt den Rat, für die optimale Cocooning-Erfahrung große Fensterfronten blickdicht zu machen, damit man von außen nicht ins Haus sehen kann. Nur, wenn man sich ungestört fühlt, kann man sich nach Herzenslust entspannen. Diesen Zweck erfüllen Jalousien, aber auch Vorhänge, mit denen man der Inneneinrichtung noch mehr Charakter verleihen kann. „Der Trend geht aktuell zu schweren Vorhängen“, erklärt Martin Zirngibl. „Modelle aus beispielsweise Velours passen gut zur kalten Jahreszeit und die meisten Menschen finden, dass sie Gemütlichkeit ausstrahlen.“ Auch Leinen ist in dieser Hinsicht ein beliebtes Material.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kuschelfeeling für die Füße
Um den Raum optisch zu komplettieren, eignen sich Teppiche. Dabei gilt laut Holly Potter: „Jeder Raum findet seinen Teppich.“ Auch kleine Räume werden durch Teppiche nicht erdrückt, wenn man die Größe anpasst. Bei größeren Räumen darf es ruhig ein großer Teppich sein, der beispielsweise unter Couch und Tisch liegt und beim Lesen, Fernsehen und Kuscheln die Füße angenehm warmhält. Für maximale Gemütlichkeit sind dabei hochflorige Teppiche zu empfehlen, die sich schön weich anfühlen, erklärt Martin Zirngibl. „Hochflorige Materialien fühlen sich nicht nur gut an, sondern haben auch eine sehr gemütliche Optik.“ Im Eingangsbereich dagegen dürfen es etwas glattere Modelle sein.

Besondere Räume, besondere Ideen
Persönliche Deko-Vorlieben schön und gut – aber natürlich sollte der Look auch an den betreffenden Raum angepasst sein. Besitzt man beispielsweise eine eher kleine Wohnung, sollte man darauf achten, die Zimmer nicht durch ungünstige Farbakzente noch mehr zu drücken. „Natürlich gibt es immer Ausnahmen, aber generell lassen helle Farben einen Raum größer wirken, dunkle machen ihn optisch eher kleiner“, so Julia Gehmacher. Holly Potter ergänzt: „Trotzdem – wenn beispielsweise eine bunte Wand gewünscht wird, kann das auch bei einem kleinen Raum gut aussehen.“ Apropos bunt: Um die in vielen Salzburger Altbauwohnungen sehr hohen Zimmerdecken optisch etwas zu senken und so gemütlicher zu machen, eignet sich Farbe – oder sogar eine gemusterte Tapete: „Wer in hohen Räumen zu Hause ist, kann experimentieren“, schwärmt Holly Potter, „sogar eine geblümte Tapete an der Decke kann dort wirken – dann kann man beim Liegen auf der Couch einen schönen Anblick genießen.“