Undercover Schatzsuche
Das ist schlecht, denn das Geheimversteck liegt mitten am Residenzplatz. Die asiatischen Reisegruppen mit ihren allzeit schussbereiten Handykameras sind zu neugierige Zeugen. Da hilft nur eines, möglichst unauffällig bleiben, kein Aufsehen erregen, denn die Box darf nicht in die Hände von Muggles fallen, sie würden nur alles kaputt machen. Okay, ruhiger wird es hier nicht mehr, also einfach auf der zweiten Bank vor der Neuen Residenz Platz nehmen und bei erstbester Gelegenheit schnell zuschlagen. Da, ein Propellerflugzeug braust in tiefem Anflug über die City, die Blicke wandern nach oben und die Chance ist da. Schneller Zugriff und die kleine Filmdose liegt in meiner Hand. Jetzt erst mal durchatmen!
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Florian Maria Strasser, Adobe Stock
Was sich liest wie eine Mischung aus Harry Potter, Indianer Jones und James Bond ist nichts anderes als die gewöhnliche Nachmittagsbeschäftigung vieler Geocacher, die sich mit GPS-Geräten oder Smartphone Apps auf die Suche nach versteckten Caches machen. Diese Container enthalten allermeistens ein Logbuch, in das sich die Finder eintragen, sowie manchmal kleine Gegenstände zum Tauschen. Wer sich für das Spiel interessiert, muss nur eine App installieren, sich registrieren und kann dann sofort mit dem Geocaching beginnen. Bei der Schatzsuche gilt es, unauffällig vorzugehen, denn Nichteingeweihte können den Cache für ein Drogenversteck oder den Schatzsucher für einen spionierenden Kriminellen halten. So wie eben die Muggles in Harry Potter, wissen auch die Geo-Muggles nicht, dass noch eine zweite, spannende Welt hinter ihrer Realität existiert. Die Welt des Geocaching.
Begib dich auf die Suche!
Erfunden wurde der Sport in den USA. Im Mai 2000 wurde die GPS-Standortgenauigkeit von unter 10 Metern für die zivile Nutzung freigegeben. Im gleichen Monat vergrub jemand in der Nähe von Portland/USA eine Plastikbox und packte CDs, ein Video, eine Dollarnote, ein Buch, eine Steinschleuder und eine Konservendose hinein und postete die Koordinaten im Internet. (Die Konservendose ist übrigens heute noch am gleichen Standort zu finden). „Als ich 2004 angefangen habe zu cachen, war das in den USA schon ein richtig großes Ding, bei uns in Europa aber eher noch eine winzige, nerdige Community. Was mich von Anfang an faszinierte, war es, an völlig neue Orte zu gelangen, die jemand anderes toll findet. Denn die Caches sind an Plätzen versteckt, die Charme haben, mit wunderschöner Aussicht oder wo jemand seine erste Liebe fand“, schwärmt Michael Gruber-Schilling, der ein Geocacher der ersten Stunde ist. Diese Geschichten findet man in der Cache Beschreibung der App, manchmal verraten die Owner, die sich um den Cache kümmern, auch geschichtliche Besonderheiten des Versteckes, da kommt man schon mal an den Ruinen einer alten Mühle vorbei oder entdeckt verlassene Häuser. Am Ende wartet immer der versteckte Cache. Normalerweise befindet sich in den kleinen Boxen nur ein Büchlein, in das man sich verewigen kann, aber in einigen Wenigen befinden sich Trackables, die mit GPS verfolgt werden können und mit einer Aufgabe versehen sind: „Ein Klassiker ist die Challenge, den Trackable einmal um die Welt zu schicken. Die Community hilft dann mit, dass umzusetzen, trägt den sogenannten Travelbug immer weiter und nach einer Weltumrundung kommt er wieder an den ursprünglichen Standort zurück“, erklärt Geocachingprofi Gruber-Schilling: „Mir persönlich geht es aber nicht um den Inhalt, sondern um die Herausforderung des Suchens.“
Die Reise beginnt mit kleinen Schritten
Der Start ins Geocaching ist ganz einfach, man lädt eine Geocaching App herunter, registriert sich und schon kann man sich auf die Suche machen. Was man benötigt, ist nicht mehr als Mobiltelefon, Kugelschreiber, Taschenlampe und vielleicht ein paar Handschuhe, falls man sich die Finger nicht schmutzig machen will. So sind für Anfänger die ersten beiden Schwierigkeitsgrade optimal. Zeigt die App einen höheren Schwierigkeitsgrad als 3, braucht man normalerweise Spezialskills und Ausrüstung: „Nachdem ich selbst Kletterer bin, suche ich gerne solche schweren Caches, die möglichst unzugänglich sind. Einmal musste ich mich von einer Fußgängerbrücke 15 Meter auf ein Betonfundament abseilen. Das braucht Vorbereitung und einen verlässlichen Partner“, erzählt Michael Gruber-Schilling von seiner spannendsten Schatzsuche: „Für Taucher gibt es Unterwassercaches und Wanderer können sogar Schatztruhen im Himalaya aufstöbern. Sehr spannend sind auch die Mysterycaches, hier muss man erst ein Rätsel lösen, um die Koordination zu erhalten, und oft sind diese dann in Städten ganz offensichtlich versteckt, aber eben nur für den Suchenden sichtbar. Wer sich das jetzt nicht vorstellen kann, muss es einfach ausprobieren.“
Bunte Community
Geocaching bietet unglaublich viele Möglichkeiten, die Natur zu erkunden und draußen Abenteuer zu erleben. Die Community besteht aus Menschen jeden Alters, Senioren peppen ihre tägliche Wanderung damit auf und Paare oft ihre Beziehung. Kinder lernen mit Geocaching praxisorientierte Skills, indem sie zum Beispiel motiviert werden, einen Kletterkurs zu besuchen, um so mit den Eltern den lang ersehnten Cache in der Felswand zu erreichen. Für Hundebesitzer kann Geocaching eine zusätzliche Motivation sein, um auch an verregneten Tagen länger draußen zu sein, und Biker können in der Gruppe ganze Schatz-Routen abfahren. Neue Geocacher finden Anschluss über entsprechende Internet-Foren und auf Social Media gibt es hunderte Gruppen, in denen man sich austauschen und verbinden kann. Auch das Teambuilding hat den Sport für sich entdeckt. Michael Gruber-Schilling gibt inzwischen mit seinem Unternehmen „Team in Progress“ das Geocaching weiter. In professionell organisierten Events lernen ganze Abteilungen kleiner und großer Betriebe, mittels Geocaching ihre Sozialstrukturen besser zu verstehen: „Wer behält die Route im Kopf, denkt planerisch und wer geht ins Detail, ist gut im Suchen. Wie gehen alle mit Enttäuschung um, wenn mal nichts gefunden wird. Das sind alles Ressourcen, die ein erfolgreiches Team im Alltag braucht.“ Unsere gesamte Evolution als Jäger und Sammler wurde durch die Notwendigkeit, Essen oder eine Unterkunft zu finden, geprägt. Die Freude am Finden ist genetisch in uns festgeschrieben. Hinzu kommt das Geheimnisvolle, das Geocaching so reizvoll macht, dass es den Spielern ermöglicht, sich in einer Welt zu bewegen, von der andere gar nichts bemerken.
Hints:
1. Die letzten 10 Logbucheinträge lesen, wenn der Cache da nie gefunden wurde, ist er wahrscheinlich ‚gemuggelt‘, also zerstört oder gestohlen.
2. Es gibt auch magnetische Materialien und Caches können an Metall haften.
3. Hydranten, Bäume oder Grenzsteine sind klassische Verstecke.
4. Es heißt Geocaching und nicht Geocatching.
Appvorschläge der Redaktion:
Rundherum Sorglos App von Groundspeak:
www.geocaching.com
c:geo – exklusiv für Android:
www.cgeo.org
Ganz einfach starten: GeoChaches