Sparen im inflationären Umfeld
Text: Dominic Schafflinger
Foto: Michael Rogner – Fotolia
Inflation, Rezessionsgefahren, Lieferkettenengpässe und Krieg in Europa. Für den Finanzmarkt scheint 2022 kein rosiges Jahr zu werden. In diesem Umfeld die richtigen Spar- sowie Anlageprodukte auszuwählen, ist schwieriger denn je. Zu verstehen, welche Aspekte den Markt antreiben, ist die Grundlage einer guten zukünftigen Anlageentscheidung und beeinflusst die Wahl der richtigen Assetklasse. Diversifikation, Eigenverantwortung sowie aktives Depotmanagement rücken heuer noch mehr in den Fokus.
Laut einer aktuellen Integral-Studie im Auftrag der Erste Bank ist die Inflation nun schon bei drei Viertel der Österreicher spürbar. Im ersten Quartal waren Wertpapiere und Gold stärker als bisher gefragt, wogegen das Sparbuch weiter an Beliebtheit verlor. Zusätzlich gewannen Pensionsvorsorge und Lebensversicherung als Anlageform zunehmende Relevanz. Aufgrund des schwachen Marktumfeldes an den Börsen und dem gestiegenen Inflationsdruck wird die Höhe zukünftig geplanter Kredite deutlich abnehmen. Überhaupt ist die Unsicherheit durch Ukraine-Krieg und Lieferkettenengpässe im Moment groß.
Österreicher spüren steigende Kosten und Inflation
Nach Jahren mit stabiler niedriger Inflation gewann diese durch die aktuellen makroökonomischen Entwicklungen wieder an Fahrt. Im April ist die Inflation lt. Statistik Austria auf 7,2 Prozent geklettert, so hoch wie seit 1981 nicht mehr. Der Inflationsdruck wird vor allem durch die weltweiten Lieferkettenprobleme ausgelöst, die durch die Corona-Krise entstanden. Chinas ’Zero-Covid Politik’, mit den aktuellen restriktiven Teil-Lockdowns in Shanghai und Peking, verschärft die Problematik langfristig, die Auswirkungen werden noch nächstes Jahr zu spüren sein. Speziell für Europa ist der Ausstieg aus russischem Öl und Gas ein weiterer massiver Belastungsfaktor, dessen volle Auswirkungen sich wahrscheinlich erst im nächsten Winter vollends zeigen werden. Schon jetzt geben 72 % der Österreicher an, dass sich die hohe Inflationsrate und die damit verbundenen steigenden Kosten bereits auf ihr Haushaltsbudget auswirken. Insbesondere Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 2.000 Euro leiden unter den steigenden Preisen. Auch alterstechnisch sind hier Unterschiede erkennbar, denn die Jungen spüren die Teuerung weniger als die Alten.
Kredite
Durch die ultralockere Geldpolitik der US-amerikanischen Fed und der Europäischen Zentralbank, die den Leitzins seit 2016 auf 0 % hält, konnten Unternehmen und Privatpersonen sich in den letzten Jahren sehr günstige Kredite verschaffen – da die Kreditzinsen direkt von dem niedrigen Leitzinssatz profitierten. Um die steigende Inflation zu bekämpfen, bleiben den Zentralbanken allerdings wenige Mittel, eines davon ist die Anhebung des Leitzinses, ein anderes das Zurückfahren von Anleihekäufen. Beides entzieht dem Markt liquide Mittel und die Zinsen steigen. Diese Schritte wurden bis jetzt vermieden, um die wirtschaftliche Erholung nicht abzuwürgen, doch nun, mit galoppierender Inflation scheint eine Anhebung auch in Europa unausweichlich. Was bedeutet, Konsumenten sehen sich mit höheren Kreditzinsen konfrontiert und das ist auch in der Erste Bank Umfrage deutlich zu spüren. Von jenen Personen, die in den nächsten 12 Monaten eine größere Anschaffung, wie Wohnungs- oder Autokauf planen, möchten dies nur 12 % mittels Kredites tun, im Vorjahr waren es noch ein Viertel der Befragten, auch die durchschnittliche Kreditsumme sank im Jahresvergleich um ganze 21 % auf 91.500. Hier verdichten sich Inflation und steigende Zinsen zu einer Gesamtwetterlage, die zur Vorsicht gemahnt, vor allem mit Blick auf jene Hypothekenblase, die 2008 den Startschuss zur globalen Banken- und Finanzkrise gab und unter ähnlichen Vorzeichen begann.
Sichere Häfen
Trotz der erwarteten Zinsanhebung der EZB, werden Sparbücher in absehbarer Zeit keine positiven Renditen abwerfen, denn die Inflation wird auch weiterhin wesentlich höher als die Zinsen sein – was diese Anlage zu einem Verlustgeschäft macht. Allerdings mit dem Vorteil, dass Vermögen bis 100.000 Euro nach wie vor von der Republik Österreich besichert werden und diese somit beinahe zu 100 % sicher sind. Das Sparbuch ist und bleibt vor allem für Menschen interessant, die nachts einfach ruhig schlafen möchten und den Inflationsverlust bewusst in Kauf nehmen.
Für jeden längerfristigen Sparer gibt es nur wenige renditenträchtige und gleichzeitig sichere Anlageklassen in diesem Umfeld. Fakt ist, dass es immer wichtiger wird, die eigenen Ersparnisse zu diversifizieren und nicht nur auf ein Pferd zu setzen. Natürlich kommt es auch auf die Höhe der verfügbaren Mittel an. Ein Immobilienkauf als Wertanlage kommt nur mit ausreichenden Barmitteln in Frage. Bei kleinen Mengen Gold und Silber frisst die Spanne zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis mögliche Gewinne schon im Vorhinein. Laut Deutscher Verbraucherzentrale[1] liegt der Verkaufspreis bei einer Unze Gold meist etwa 6 % über dem Ankaufspreis. Wogegen beim Kauf einer Zehntel Unze schon rund 20 % Handelsspanne einkalkuliert werden müssen. Da Gold keine Zinsen abwirft, kann es sehr lange dauern, bis dieser Ankaufsverlust sich wieder amortisiert hat. Gold ist dafür immer ein sicherer Hafen, und wer nicht unbedingt physische Münzen oder Barren im Safe liegen haben will, der greift zu handelbaren ETCs, wie den EUWAX der Börse Stuttgart oder den XETRA-Gold. Hier erwirbt man bei geringen Anschaffungskosten das verbriefte Recht auf eine bestimmte Menge Gold und lagert das Zertifikat ganz entspannt im Online-Depot.
Auch Anleihen sind ein sicherer Hafen für konservative Sparer. Die Leitzinsanhebung der FED und die anstehende der Europäischen Zentralbank, wurde von den Märkten inzwischen eingepreist und lässt Anleihen nun wieder attraktiver werden. Jedoch kämpft die Anlageklasse noch immer gegen die hohe Inflation und ein steigendes Angebot an Staatsanleihen, da die Zentralbanken ihre Anleihenkäufe mehr und mehr zurückfahren. Anzunehmen ist, dass die Verzinsung von Anleihen weiter steigen wird, bei der Auswahl sollte man immer Ausfallsrisiko und Rendite gegeneinander abwiegen.
Risiko und Rendite
Wer 2022 auf der Suche nach einer Rendite ist, die die Inflation übersteigt, der kommt an Aktien nicht mehr vorbei. Das Risiko steigt beständig mit. Aktien multinationaler Konzerne bieten zwar eine gewisse Sicherheit, aber trotzdem ist es möglich, dass am Jahresende ein Verlust im Depot steht. Vor allem in Zeiten massiver Volatilität. Die Märkte sind nervös und die Angst vor Rezession geht um, gerade die Tech-Werte korrigierten seit Jahresbeginn massiv, inzwischen spricht man von einem Bärenmarkt. Value-Titel und Rohstoffe haben sich aber am Aktienmarkt teilweise extrem robust gegen jedweden Abverkauf gezeigt und regelmäßige Dividenden generieren einen Cashflow von etlichen Prozent im eigenen Depot. In der aktuellen Marktlage scheinen sichere Value-Werte wie Nestlé, Shell oder die Deutsche Telekom eine wesentlich bessere Wahl als Wachstumstitel wie Tesla oder Shopify.
In einer gänzlich anderen Liga spielen die Investoren des Krypto-Marktes. Sie mussten seit Jahresbeginn Verluste von über 50 % hinnehmen und sind damit die größten Verlierer aller Märkte. Der Krypto-Markt ist nun mal für seinen Volatilität bekannt. Neben den schon bekannten Makrofaktoren drücken auch die Halbzeit zum nächsten Bitcoin-Halving und der Zusammenbruch des Terra-Luna Projektes auf die Kurse. Bitcoin-Halving nennt man die alle vier Jahre stattfindende Halbierung der durch sogenanntes Mining errechneten Produktionsmenge. Die Verknappung der wertvollsten Kryptowährung sorgte regelmäßig für steigende Kurse, wogegen in der Mitte des Zyklus meistens die Preise für Bitcoin und damit für alle anderen Kryptowährungen fallen. Trotzdem ist der Krypto-Space nicht gänzlich uninteressant für bedachte Anleger, denn es können dort auch sogenannte Stablecoins mit relativ hohen Zinsen angelegt werden. Diese sind meist an den Dollarkurs gebunden und mit seriösen Anbietern kann man schon mal Renditen von bis zu 10 % p.a. erzielen. Rechnet man die Stärke des Dollars im Vergleich zum Euro, ist das allemal einen Blick wert.
Der Trend, dass hohe Erträge mit höherem Risiko einhergehen, scheint sich 2022 noch zu verschärfen. Wer risikofrei anlegen möchte, wird wahrscheinlich einen Realverlust durch Inflation hinnehmen müssen. Und auch für risikofreudigere Anleger gilt das „Stock Picking“, also die genaue Auswahl der Assets, mehr denn je. Beratung ist gut, aber selbst Bescheid zu wissen ist immer die bessere Alternative, denn dann können unter Umständen auch im inflationären Umfeld Renditen erzielt werden. Und sobald der Markt wieder dreht, die Inflation zurückgeht, die Lieferketten wieder hergestellt sind und die Wirtschaft in EU und USA wieder brummt, dann könnte das eine Einstiegschance in den Aktien- und Kryptomarkt sein, wie es sie nur einmal in jeder Generation gibt.
[1] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/sparen-und-anlegen/geldanlage-gold-lohnt-sich-eine-investition-als-sicherheit-bei-krisen-5904
Dieser Artikel ist keine Anlageberatung, sondern dient lediglich der Verbraucherinformation und stellt nur die Meinung der Redaktion dar. Der Autor hat selbst in die behandelten Anlageklassen investiert.
Integral-Studie im Auftrag der Erste Bank
Erste Bank Spar- und Kreditprognose Q1 2022: Integral hat 1.000 Österreicher:innen (repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 14 Jahren) mittels telefonischen und Online-Interviews nach ihren geplanten Spar- und Anlageformen sowie ihrem Finanzierungsbedarf gefragt. Die Befragung fand im 1. Quartal 2022 im Zeitraum von 16. bis 29. März 2022 statt. Soweit nicht anders angegeben, handelt es sich bei den Vergleichswerten um Zahlen aus dem gleichen Quartal des Vorjahres