Sandstrände & türkisfarbene Gletscher

Text: Maria Riedler

Fotos: Maria Riedler

Kanada, speziell British Columbia, ist wohl eines der schönsten Fleckchen auf dieser Erde, und bietet Abenteuer und Herausforderung. Wandern, Klettern, Mountainbiken, Kajaken, Angeln, Skifahren, wilde Tiere beobachten oder schlichtweg die Einmaligkeit der kanadischen Natur bewundern… die Möglichkeiten sind unendlich.

Wir sind schon seit über drei Stunden in der mächtigen Wildnis des Garibaldi Provincial Parks unterwegs, als es plötzlich ganz laut vor uns rumpelt. Die Äste der Bäume links biegen sich und mein Herz schlägt plötzlich doppelt so schnell: Ein Bär! Wie war das noch gleich mit den Verhaltensregeln? Beruhigend und bestimmt sprechen oder singen – und so den Bären wissen lassen, dass Menschen in der Nähe sind. Denn dann hat das Tier Zeit, sich zurückzuziehen. Gut, zum Singen ist mir gerade nicht zu Mute und sprechen, das tue ich jetzt ohnehin – etwas ängstlich – mit meinem Begleiter. Man sollte keinen Blickkontakt aufnehmen und ein Foto will ich auch ganz sicher keines vom Bären schießen. Irgendwie riecht es nach Honig. Womöglich haben wir ihn beim Speisen gestört? Langsam gehen wir rückwärts und versuchen lächerlich locker zu bleiben. Niemals weglaufen, so lautet die wichtige Verhaltensregel, denn sonst bist du dran, haben uns Kanadische Freunde erklärt. Und uns eine Geschichte erzählt, die ist kein Witz: Ein Bär tappt in den frühen Morgenstunden in einen Schnellimbiss nahe Vancouver. Der müde Verkäufer schreckt auf, rettet sich in einen hinteren Raum und verschließt die Tür. Derweil schnuppert der Bär an den angebotenen Sandwiches, findet aber offenbar keinen Geschmack daran und verlässt den Laden wieder. Eigentlich ist der Bär ein Allesfresser und verschmäht im Allgemeinen so gut wie gar nichts. Menschen gehören aber nicht zur Beute von Bären. In der Regel sind die mächtigen Tiere scheu und gehen Zweibeinern aus dem Wege. Doch sie wollen nicht beim Fressen gestört werden, schon gar nicht, wenn sie Junge haben. Denn Bären sind unberechenbar. Schnell kann aus dem friedlich grasenden Tier ein wutschnaubender Angreifer werden. Ok… also nichts wie geordneter Rückzug.

Wilde Weite
Wenn ich an Vancouver Island an der Westküste Kanadas denke, fallen mir natürlich zuerst Bären, wilde Tiere, Lachse und die unendlichen Wälder ein. Denn die vielen und verblüffenden Tierbegegnungen waren nahezu täglich am Programm. In der Küstenregion kann man etwa Wale und Grizzly- und Schwarzbären beobachten. Die pulsierende Metropole Vancouver an der Pazifikküste und den Coast Mountains, dem Tor zu den Rocky Mountains, ist im Sommer wie im Winter ein faszinierendes Urlaubsziel. British Columbia ist ein Abenteuer der Extraklasse. Vancouver gehört zu den schönsten Wohnorten Kanadas. Vom Meer bis zum Himmel ist die Metropole von purer Schönheit umgeben und ist ein Musterbeispiel für gelungene Immigrationspolitik. Geschätzte 30 Prozent der Bevölkerung haben chinesische Wurzeln, dazu gesellen sich einige Japaner, Koreaner und Südamerikaner: Fertig ist der gelungene Multi-Kulti-Mix. Ob unkonventionelle Cafés am Commercial Drive, cooles Bummeln in der Robson Street, ein Spaziergang am Ufer mit Panoramablick auf Meer und Berge, hippe Menschen, rustikale Bars in der alten Gastown oder die leuchtenden Dächer von Chinatown. Vancouver ist Vielfalt und bietet eine Unmenge an Attraktionen und tollen Lokalen. Doch auch in Vancouver ist nicht alles eitel Wonne. Mitten in Downtown, direkt neben dem malerischen alten Stadtviertel „Gastown“, gibt es eine Straße, die aus der Reihe fällt. „Better don’t go there“, mahnten uns Freunde. In der Hastings-Street hat sich ein Drogenbiotop entwickelt, das an der Westküste wohl seinesgleichen sucht.

Glück und Wale
Auf dem Weg mit den BC-Ferries nach Vancouver Island sind wir mit unserem Mietwagen, einen Dodge-Allrad. Ein stabiler Wagen für viele Strecken im Outback, eine wichtige und richtige Entscheidung, wie es sich später noch herausstellt. Für mich ist es das erste Mal, dass ich mit einem Auto auf eine Fähre fahre, doch hier läuft alles total organisiert und wie am Schnürchen. Und immer nette Gespräche und freundliche Menschen, die viele Tipps haben. Ein gutes Gefühl, so nett empfangen zu werden. Die Kanadier sind sehr stolz auf ihr schönes Land.
Das Wetter ist schön und die unzähligen kleinen Inseln versperren den Blick zum Horizont. Als plötzlich Wale neben der Fähre auftauchen, sind wir von unserem Glück hingerissen.
Victoria ist zwar nicht die größte Stadt in British Columbia, dafür liegt dort der Regierungssitz und deshalb ist die Stadt auch die Hauptstadt von British Columbia.
In Victoria verschmilzt die junge Energie der Westküste mit altehrwürdigen britischen, europäischen und asiatischen Traditionen. Hier findet jeder Besucher etwas für seinen Geschmack, sei es ein Picknick am Strand, ein traditioneller englischer Afternoon Tea, eine Radtour oder eine Fahrt mit der Pferdekutsche. Und nicht zu vergessen die Kunstgalerien, die sich in historischen Gebäuden befinden. Eine Stadt voller erstaunlicher Kontraste, in der sich die Eleganz der alten Bauwerke mit der Energie modernen Lebens vermischt.
Bezaubernde Ausblicke auf Meer und Berge, dichte Wälder, üppiges Parkgelände und wunderschöne Küstenabschnitte umrahmen dieses internationale Ferienziel.

Offener Ozean, intakte Regenwälder
Bei einem Besuch auf Vancouver Island darf natürlich der legendäre Ort Tofino nicht fehlen. Noch in den 60er Jahren galt das kleine Städtchen an der Pazifikküste als Geheimtipp der Hippies. Heute ist Tofino zum beliebten Outdoorziel von Kanadiern und Amerikanern geworden. Weltweit bekannt sind die Whalewatching-Fahrten, die verschiedene Anbieter offerieren. Mit fast 100prozentiger Erfolgsquote lassen sich hier im Sommer Grauwale und Orcas beobachten.
Tief beeindruckt waren wir vom „Rain Forest Trail“. In diesem noch ursprünglichen Regenwald wachsen mächtige, 800 Jahre alte Riesenlebensbäume (Red Cedars). Von den Tannen wuchern als hängende Gärten Farne, Flechten und Moose herab, ein ewiges Mosaik aus Grünschattierungen. Der enge Trail windet sich immer wieder an abgestorbenen Baumstümpfen vorbei, die in ihrer Verwitterung bereits wieder neuen Bäumen eine Lebensgrundlage bieten.
Nicht versäumen darf man hier den Scooner Cove Trail, den man am besten noch in aller Früh startet: Nach einem kürzeren Weg durch ursprünglichen grünen Regenwald stößt man fast unverhofft an den Pazifischen Ozean, wo der Blick auf die wilden Wellen des Ozeans fällt. Der unberührte Strand bietet atemberaubende Ausblicke auf Felsen, die bei Ebbe zugänglich sind. Hier heißt es oft vorsichtig sein, weil Ebbe und Flut sich schnell ändern.
Wir dehnten den traumhaften Strandspaziergang entlang des wilden Meeres aus – man kann hier nahezu unendlich – bis nach Long Beach weitermarschieren.
Das verschlafene Ucluelet wartet mit einem weiteren Highlight auf: Eine Wanderung entlang des Wild Pazific Trails. Hier spaziert man entlang der felsigen Küste neben wellengepeitschten Klippen und einem Leuchtturm, ständig mit umwerfenden Aussichten.

Wildnis und unberührte Natur
Zurück mit der Fähre geht es dann entlang des Sea-to-Sky-Highways, der Vancouver bzw. die Westküste mit den Bergen und Nationalparks bis nach Whistler verbindet. In Whistler, dem beliebten Bergsportort nahe von Vancouver, laufen Bären sogar öfters über den Golfplatz und über die Mountainbike-Pisten. Hier im fast unberührten 195.000 Hektar großen Garibaldi Provincial Park starteten wir zum Cheakamus Lake, wo auch wir auf „unseren“ Bären trafen.
Unsere Route führt weiter über beeindruckende steile Bergstraßen mit vor Lawinen warnenden Schildern und tiefen Schluchten – entlang von unzähligen wilden Flüssen und Seen bis nach Kamloops. Ein guter Zwischenstopp, hier kommen Wassersportfans auf ihre Kosten.
Der Mount Revelstoke Nationalpark liegt westlich des Glacier Nationalparks. Eingebettet zwischen der rauen Gipfelwildnis der Monashee und Selkirk Mountains zählt er mit 260 km² zu einem der kleinsten Nationalparks an der Westküste. Hier finden wir den ersten schneebedeckten Berg nach Hochgebirgswiesen und üppigen Regenwäldern. Ein herrlicher Gebirgspfad führt uns – zuerst bei Regen, später bei leichtem Schneefall, bis zum Eva Lake, mit einem Abstecher zum Miller Lake. Wieder einmal begeistert mich Kanada mit seinen unzähligen glasklaren Seen und Flüssen. Oft sind die Flüsse Transportweg für Abermillionen von Kubikmetern Holz, mal werden sie als Rafting-Strecke genützt. Die Seen spiegeln wortwörtlich die Schönheit der Natur wider und sind Refugien der Stille.
Der Pionier des Heliskiing startete von Revelstoke aus vor 50 Jahren und er war ein ausgewanderter Österreicher. Hans Gmoser ging ursprünglich nach Kanada, um Englisch zu lernen und gründete später den ersten Heliski-Anbieter. Er war nicht nur leidenschaftlicher Alpinist, Skifahrer und Bergführer – Gmoser machte sich bald in Kanada einen Namen. Seine Expeditionen sorgten für Aufsehen, sein Ruf als Bergführer war erstklassig. Kaum hatte der Auswanderer aus Österreich in Banff Fuß gefasst, führte er schon Gäste auf das „Matterhorn Kanadas“, den Mount Assiniboine zwischen Alberta und British Columbia.

Wüste und Wein
British Columbia überrascht nicht nur mit hohen Bergen, Regenwäldern und Traumküsten: Es besitzt auch eine richtige Wüste. Tief im Süden der Provinz grenzt die einzige echte Wüste des Landes an die USA. Anders als die riesigen Flächen der weißen Wildnis im hohen Norden, ist die Osoyoos-Wüste im Süden winzig: gerade mal rund 100 Hektar. Kanadas heißester Fleck bringt es im Sommer auf durchschnittlich 30 Grad Celsius. Höchsttemperaturen von mehr als 42 Grad sind keine Seltenheit. Entsprechend karg ist die Landschaft. Auf den ausgedörrten Böden wachsen nur Kakteen und ein paar kleine Sträucher. Die Berge erheben sich als rötlich schimmernde Felsbrocken in den Himmel. Die Luft flirrt vor Hitze und heizt den Osoyoos-See auf 24 Grad auf. Damit ist er der wärmste See Kanadas.
Die Gegend sieht aus wie die Kulisse für einen Westernfilm. Nur an ihrem Übergang zum See ändert sich das Bild. Dort bauen die Weinbauern des Okanagan-Tals zwischen Wüste und See in bewässerten Weingärten Reben an. Dazwischen finden sich Obstplantagen in den schmalen grünen Streifen. In „Canada´s Napa Valley“ findet sich auch die Nk’Mip Cellars Winery, das einzige von First Nations betriebene Weingut Kanadas.
Ruhe, Wildnis und Romantik. Dazu spektakuläre Postkarten-Motive, unzählige Wildtiere, die in kurzer Distanz zu uns aufkreuzten. Und eine – für uns Europäer – fast unermessliche Weite von Wäldern. Die Allgegenwärtigkeit der Natur und die unbeschreiblichen Momente der Stille und Freiheit, das sind wahrscheinlich, nicht nur für uns, die Hauptgründe, die für eine Kanadareise sprechen.