“Nur nie stehen bleiben!“

In Grödig findet sich ein Ort, der Gourmets aus aller Welt begeistert: die Fischzucht und Kaviarproduktion von Walter Grüll. Als renommierter Kaviarproduzent und erfahrener Fischzüchter hat Walter Grüll sich einen Namen gemacht, der für höchste Qualität und nachhaltige Produktion steht. Im Interview erklärt er seine Faszination für Fische und Produkte, die der Markt noch nicht gesehen hat, spricht über Erfolg und seinen Antrieb sowie über das Geheimnis einer glücklichen Ehe.
Text: Doris Thallinger
Fotos: kaindl-hoenig.com
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Walter, kannst du ganz kurz umreißen, wie es gekommen ist, dass du heute österreichischen Kaviar höchster Qualität auf den Markt bringst?

Mit Kaviar hat es nicht angefangen. Ich habe mich mit 18 Jahren selbstständig gemacht, ich bin mittlerweile 61 Jahre alt, also vor relativ langer Zeit. Meine Vision war es in erster Linie immer, mit Fischen zu arbeiten und etwas Besonderes daraus zu machen.

Mir war von Anfang an wichtig, immer wieder etwas Neues auszuprobieren, alles, was schwierig ist, interessiert mich. Und da sind wir bei dem Produkt, wofür wir schlussendlich bekannt geworden sind: dem Kaviar vom Stör. Wir brauchen im Schnitt 16 Jahre, bis wir den Kaviar ernten und entnehmen können. Meine Vision ist es ganz einfach, etwas anderes, etwas Besonderes zu machen und nie, die große Kohle zu machen. Wenn du nur das im Fokus hast, wirst du massiven Schiffbruch erleiden.

Die Ideen, um immer wieder etwas Neues auszuprobieren, sind dir offensichtlich nie ausgegangen…

Nein, allein im Dezember haben wir fünf komplett neue Produkte auf den Markt gebracht, die es davor nicht gab. Im Schnitt bedeutet das ein, zwei Jahre Vorarbeit. Und sobald ich etwas erreicht habe, geht es weiter, wieder Neues auszuprobieren, nur nie stehen bleiben! Auch, wenn das bedeutet, einmal Misserfolg zu haben. Das ist der Vorteil, wenn man etwas so lange macht, wie ich, dann kann man sich auch Fehler leisten. Aus den Fehlern lernt man und mit dem neuen Wissen kannst du wieder etwas Neues auf den Markt bringen.

Was inspiriert dich immer wieder? Woher kommen deine Ideen?

Ich sehe einfach Sachen, Produkte in anderen Ländern, aus vollkommen anderen Zutaten – und ich versuche dann, diese Produkte in irgendeiner Form aus Fisch zu kreieren. Wie zuletzt zum Beispiel die dehydrierten Garnelen, überzogen mit einem Mantel aus Cashew-Nüssen. Oder, wie es vergangenes Jahr sehr präsent war, dass wir Vodka aus Garnelen erzeugt haben. Oder Umami, ein Gewürz aus Garnelen: Aus 10 kg Garnelen entstehen schließlich 1,8 kg Gewürz. Das sind aber nicht nur irgendwelche Verrücktheiten, es muss dann auch wirklich schmecken, sonst funktioniert es nicht.

Und es braucht eine Menge Geduld. Bei einem Produkt hänge ich jetzt zum Beispiel schon seit vier Jahren dran und habe es immer noch nicht fertig. Weil es noch immer nicht so ist, wie ich es mir vorstelle. Daran tüftle ich. Außerdem tüftle ich an einem Kaviar vom Wels, den macht niemand, weil es extrem schwer ist, ihn in der richtigen Form zu ernten.

Ich habe einfach viele Gedanken und Ideen. Für mein Leben auf jeden Fall noch genug Ideen, die ich umsetzen möchte.

Deine Liebe zu Fischen hast du schon sehr früh entdeckt. Mit 12 Jahren hast du im Keller deiner Eltern schon mit der Forellenzucht experimentiert. Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen? Was gab den Ausschlag?

Das ist die Faszination Fisch! Das Tier im Wasser, die Eleganz der Tiere, die Ruhe, die sie mitbringen. Und die Faszination, besondere Lebensmittel zu züchten, wenn man das Tier aufzieht und dann essen darf – das eine schließt das andere nicht aus. Die Achtung vor dem Tier, das ist für mich das Entscheidende. In allem, was wir tun, ist die Achtung vor dem Tier essenziell. Natürlich hatte ich auch mit 12 Jahren schon Visionen, aber man ist halt noch weit entfernt von ersten Erfolgen. Die Fischzucht in der Hellbrunner Allee habe ich seit ich 18 bin, sie hat mit Forellen und Saiblingen angefangen und sich dann entwickelt.

Das Entscheidende aber für den Erfolg ist, einen Menschen zu finden, der den Weg mit einem geht. Ich bin seit 41 Jahren mit meiner Frau zusammen, das ist eine sehr, sehr lange Zeit, sie war damals 17, ich 19. Wenn du einen Partner an deiner Seite hast, der den Weg nicht mit dir geht, wirst du nie den Erfolg haben.

41 Jahre sind eine lange Zeit. Was ist für dich das Geheimnis einer guten Ehe?

Einfach aufeinander zugehen, die eigenen Fehler erkennen, nicht alles im Leben gar so wichtig nehmen und den Menschen, mit dem man zusammenlebt, immer wieder zu überraschen. So schafft man 41 Jahre und für diese lange Verbindung, wie wir sie haben, bin ich sehr dankbar. Wir sind eins. Was nicht heißt, dass wir nie streiten. Du reibst dich schon, aber du musst immer wieder aufeinander zugehen. Das ist, wie ich glaube, das Rezept.

Was betrachtest du aus heutiger Sicht als deinen größten Erfolg?

Was uns am bekanntesten gemacht hat, ist sicher der Kaviar vom Stör, weil es immer geheißen hat, das geht in Österreich nicht, das können nur die Russen und die Iraner. Ich hab gesagt, sicher nicht, das geht auch bei uns. Der schwarze Kaviar war die eine Sache, aber wir sind einen Schritt weiter gegangen, mit dem weißen Kaviar des Albino-Stör. Davon werden nur ein paar Kilogramm weltweit produziert. Bis man so weit ist, dass man diesen konstant produzieren kann, ist es eine Herausforderung.

Aber es war nie meine Vision, das Größte, das Teuerste zu produzieren. Es muss für jeden was dabei sein. Wenn einer ein Lachs-Semmerl haben will, muss das genauso perfekt sein wie der weiße Kaviar. Was für mich sehr wichtig ist: mit all den Produkten, die wir machen, die Menschen nicht zu enttäuschen. Bei uns hat der Kunde den höchsten Stellenwert. Noch wichtiger ist nur, dass man Menschen um sich hat, Mitarbeiter, die das Ganze mittragen, die Vision an den Kunden weitergeben, nämlich dass wir die Menschen glücklich machen.

Welche Werte sind dir sowohl im Geschäftsleben als auch privat besonders wichtig?

Absolute Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit. Ich muss mich auf die Menschen, mit denen ich zu tun habe, verlassen können, genauso wie sie sich auf mich verlassen können. Das gesprochene Wort muss ausreichen. Wenn ich jemandem mein Wort gebe, halte ich es. Ende. Das erwarte ich aber auch vom anderen.

Du scheinst immer gute Laune zu versprühen – kannst du auch einmal richtig grantig sein? Was ärgert dich?

Falschheit, die macht mich narrisch, und Unzuverlässigkeit, ja, es gibt schon ein paar Sachen, die mich richtig nerven. Allerdings bin ich zu 90 % selbst dafür verantwortlich, wie es mir geht und nicht andere, dessen muss man sich auch bewusst sein. Ich entscheide ja auch, mit welchen Menschen ich mich umgebe.

Aber ja, ich bin grundsätzlich einer, der in der Früh aufsteht und gut drauf ist. Ich bin eher am Abend die Schlaftablette. Mir wird auch oft vorgeworfen, dass ich alles durch die rosarote Brille sehe. Aber vielleicht besser so als durch die schwarze, glaube ich. Mir geht es zumindest so besser. Ich vertraue einem Menschen grundsätzlich, erst wenn er mich enttäuscht, dann wird’s schwierig. Von vornherein ist jedoch ein absolutes Grundvertrauen da und ich glaube, so geht man leichter durchs Leben, als wenn man jedem misstraut.

Was bedeutet für dich Luxus?

Zeit!

Natürlich ist es ein gutes Gefühl, wenn man ein Unternehmen hat, das gut geht, und man sich keinen Kopf machen muss, wenn die Waschmaschine einmal kaputt geht. Dann kauft man halt eine neue. Das ist für mich auch eine Form von Luxus, dass ich mir über die alltäglichen Dinge keine Gedanken machen muss. Oder wenn ich einmal gut essen gehen will, dann ist das machbar. Das ist wirklich Luxus für mich: Mit der Familie, meiner Frau schön essen gehen oder vielleicht sogar wieder einmal wohin fliegen und ein paar schöne Tage verbringen. Was jedoch ganz wichtig ist: Die Gesundheit muss mitspielen, wenn die nicht mitspielt, bringt die Zeit auch nichts. Das ist das höchste Gut, das wir alle haben. Dessen wird man sich aber oft erst dann bewusst, wenn man es nicht mehr hat.

Woraus schöpfst du deine Kraft? Was machst du in deiner Freizeit, um dich zu entspannen und Energie zu tanken?

Wir haben das Glück, dass wir eine sehr gesunde Familien-Struktur haben. Das ist in erster Linie meine Frau und dann unsere Kinder. Das Schöne ist, dass wir auch zwei Enkelkinder haben, mit denen wir sehr viel Zeit verbringen. Das größere Enkerl ist 5 Jahre alt und das zweite ist dieses Jahr am 25. Mai zur Welt gekommen. Das sind beide die Kinder von Alexandra.

Patrick, unser Sohn, lebt in Linz, wo er ein Lokal hatte. Er hat sich dann aber anders orientiert und betreut jetzt Menschen, die straffällig geworden sind im offenen Vollzug. Dort ist er glücklich und das ist entscheidend.

Alexandra ist seit vielen Jahren im Betrieb und meine rechte Hand. Sie wird das Unternehmen einmal übernehmen – ich bin jetzt 61, mit 65 denke ich, dass ich mich zurückziehen werde.

Wie geht es dir dabei loszulassen?

Damit habe ich überhaupt kein Problem! Wir haben jetzt schon klipp und klar getrennte Aufgabenbereiche, ich pfusche ihr nicht rein und sie pfuscht mir nicht rein. Ich glaube, das ist auch das Optimum, wenn Alt und Jung miteinander können. Dann bleibt das Altbewährte erhalten und durch die Jungen kommt ein frischer Wind ins Unternehmen.

Ich glaube, wenn du ein altes, eingeführtes Unternehmen hast und dich selbst nicht bewegst, wird das Unternehmen mit dir sterben und das will ich nicht! Es ist meine Vision, die ich hier lebe, und ich kann nicht von meinen Kindern, auch nicht von meiner Tochter erwarten, dass sie diese genauso weiterführt. Wenn es auch ihre Vision ist, freue ich mich natürlich!

Wird die Arbeit dir fehlen?

Nein, gar nicht. Wenn ich es mit über 60 Jahren nicht geschafft habe, dass ich mir eine andere Beschäftigung suche als das Unternehmen, dann hab ich was falsch gemacht.

Was wirst du dann mit der neu gewonnenen Zeit anfangen? Hast du schon Pläne?

Wir haben so viele Interessen und auch Möglichkeiten. Wir haben Enkelkinder, was wollen wir mehr? Und wenn man das Glück hat, einen Partner zu haben, den man auch nach über 40 Jahren noch gernhat, da weiß man immer etwas mit der Zeit anzufangen.

Wenn dieses Magazin erscheint, am 17. Juli, feierst du Geburtstag – wie wirst du feiern?

Mit meiner Familie, meinen Kindern, meiner Frau. Ich bin einfach dankbar, dass ich dieses Alter erreicht habe, da muss ich nicht mordsmäßig auf den Putz hauen. Einfach genießen.

Was ist dein Wunsch zum Geburtstag?

Gesundheit, sonst gar nichts. Gesundheit in meiner Familie – das ist es, was ich mir am allermeisten wünsche, weil ich das in keiner Art und Weise beeinflussen kann und weil Krankheiten so schnell daherkommen können, mit denen man nicht rechnet.

Die besten Anlässe und auch die größten Erfolge sind nur dann schön, wenn du sie gemeinsam feiern kannst.