Mystisch, magisch, märchenhaft

Text: Heidrun Henke

Fotos: Heidrun Henke

Marrakesch steckt voller Geheimnisse, Überraschungen und Kontraste. Hier existieren Alt und Neu, Licht und Schatten, Anmut und Armut, Insta-Chic und Tradition, Stretch-Limo und Pferdefuhrwerk, Verkehrschaos und Zaubergarten wundersam nebeneinander.

Der erste Kontrast offenbart sich bereits bei der Ankunft, sobald ich den Flughafen verlasse. Im Hintergrund das schneebedeckte Atlasgebirge und vor mir wehende Palmblätter. Marrakesch fasziniert mich von der ersten Sekunde an. Irgendwie kann ich diese Stadt nicht fassen, nicht einordnen. Es sind nur ein paar Flugstunden von der Heimat entfernt und doch befinde ich mich sogleich in einer anderen Welt: märchenhaft, mysteriös, exotisch.

Ein bisschen wie aus der Zeit gefallen
Man sollte sich auf ein kleines Abenteuer gefasst machen, denn in Marrakesch herrschen andere Gesetze. Das beginnt schon bei der Taxifahrt in die Stadt. Verkehrsregeln und Sicherheitsmaßnahmen scheinen keine Rolle zu spielen, trotzdem fließt der Verkehr geschmeidig: Ein schwer bepacktes Eselfuhrwerk fährt genauso auf der dreispurigen Fahrbahn wie unser Taxi, dazwischen überholen uns von beiden Seiten zahlreiche Mopeds und wacklige Fahrräder, auf deren Lenkern alte Männer in Kapuzenmänteln ihre Lasten transportieren.
Mein Hotel, ein typisches Riad, befindet sich auch im alten Teil der Stadt, der Medina. Vor den Stadtmauern lässt mich der Taxifahrer aussteigen, von hier an bin ich auf mich alleine gestellt. „Einfach geradeaus und dann links“ ruft er mir noch salopp auf Französisch nach. Die Medina ist mit ihren kleinen, verwinkelten Gässchen zu eng für Autos und so begebe ich mich selbst auf die Suche nach meinem Nächtigungsplatz, der ganz in der Nähe sein soll. Ist er auch, wie ich später bitter feststellen muss, nachdem ich etliche Runden im Kreis gelaufen bin, aufgrund der labyrinthischen Bauweise der Medina.

Irgendwann kommt man zu einer Oase…
Mein Riad offenbart sich als echte Oase. Hinter der schweren Holztür befindet sich ein malerischer Innenhof, ein Springbrunnen plätschert, exotische Pflanzen wuchern die Wände empor, auf großen, silbernen Tabletts wird mir Minztee serviert. Nebenan wird das Hammam erhitzt und versprüht feinen Wasserdampf durch die Ritzen, es duftet nach Orangenblüten. Mein erster Weg führt hinauf auf die Dachterrasse, wo ich einen wundervollen Ausblick über die gesamte Altstadt bis hin zum Atlasgebirge erhasche. Hier im gleißenden Sonnenschein lässt sich´s herrlich Mittagessen. Am besten gleich authentisch: Gemüse-Tajine und ein Berg Couscous.

Das Abenteuer ruft und ich begebe mich wieder hinunter in die dunklen, geheimnisvollen Gässchen der Souks. Schilfdächer schirmen das grelle Sonnenlicht von oben ab und ergeben reizvolle Licht- und Schattenspiele. Hier herrscht nicht nur ein Gassen-Wirrwarr, sondern auch sonst ein turbulentes Treiben.
Mehrmals wird man als Fußgänger an die Wand gepresst, wenn sich wieder eines der zahlreichen Mofas durchzwängt und seinen beißenden Kerosingeruch hinterlässt.
Es wird feinste, traditionelle Handwerkskunst dargeboten: Silberschmuck, Lederwaren, Argan-Produkte, gewebte und geknüpfte Teppiche, Töpferwaren, … Es wird gehandelt, gekauft und vor allem gefeilscht, ohne dem geht gar nichts. Sobald ich die Standler nach dem Preis frage, komme ich nicht mehr aus: „I make you a good price.“ Natürlich gehe ich mit viel mehr weiter, als ich wollte (aus einer Handvoll Nüsse wird ein Kilo als Monatsration), denn Handeln können die Souk-Verkäufer meisterlich. Geschäftemachen ist hier übrigens reine Männersache. Selbst die Saftpresser auf dem Djemaa el Fna sind alle männlich.

Der Platz aller Plätze
Apropos, Djemaa el Fna: Hier konzentriert sich das gesamte Leben der Medina. Alle Souk-Gässchen münden irgendwann in den „Place“, wie ihn die Marokkaner nennen. Plötzlich steht man davor und sieht wieder den Himmel über sich. Unten am Boden tummeln sich Musiker, Künstler, Akrobaten und Gaukler aller Art. Über den Djemaa el Fna zu schlendern ist ein beeindruckendes Erlebnis, dieser Magie kann sich keiner entziehen. Besonders am späten Nachmittag, wenn die Garküchen dampfen und das Abendlicht seine mysteriöse Stimmung zaubert, dann treten Schlangenbeschwörer in Aktion, greifen Hennamalerinnen zum Pinsel und kommen Schuhputzer, Märchenerzähler, Gebissverkäufer, Wunderheiler, Affendresseure aus ihren Verstecken. Berge von sorgfältig aufgetürmten Früchten, Nüssen, Gewürzen und Kräutern ergeben eine satte Farbenpracht. Der betörende Geruch der vielen Garküchen sticht in die Nase (selbst wenn es Schafhirn ist, das da gerade brutzelt) und man gibt sich diesem sagenhaften, gespenstischen Schauspiel hin

Der Zauber von 1001 Nacht…
Gut, dass es auch immer wieder einen Rückzugsort gibt, wo man Ruhe und Erholung findet. Wie zum Beispiel die lauschigen Dachterrassen einiger Lokale, von denen man den Djemaa el Fna und seine Kobras aus sicherer Entfernung beobachten kann und sich dabei bei heimischen Köstlichkeiten stärkt. Gerade lief ich noch verwirrt durch das Dickicht der Souks und glaubte, die Orientierung zu verlieren und nun ein heimeliges, bezauberndes Lokal mit mondäner, marokkanischer Einrichtung, das mich mit allen Strapazen des Tages aussöhnt. In Marrakesch gibt es viele solcher Geheimplätze, die als Zufluchtsort dienen, wenn Lärm, Chaos und Menschentumult überhandnehmen. Eines der besten Beispiele ist der berühmte „Jardin Majorelle“, den Yves Saint Laurent vor dem Verlottern gerettet und zu neuer Blüte verholfen hat. Ursprünglich ist der Garten nach dem französischen Maler Jacques Majorelle benannt, der hier sein Künstleratelier hatte. Heute taucht man hier ein in ein Märchen aus Licht und Farbe, das berühmte Majorelle Blau ist allgegenwärtig: ein von innen leuchtender, frischer Blauton, der an Meer und Himmel erinnert. Er steht für Frische und Abkühlung im heißen, staubigen Marrakesch. Ein verwunschener, traumhafter Ort, an dem man zur Ruhe kommt, sobald man ihn betritt. Etwas außerhalb der Stadt befindet sich der Paradiesgarten „Anima“, den André Heller zum Wohlfühlen und Entdecken kreierte. Wer genau schaut, findet zwischen Kakteen, Bambus und Dattelpalmen Werke von Picasso, Keith Haring und Heller. In diesem idyllischen Garten, wo ich dem Atlasgebirge noch ein Stück näher bin, beende ich meine Reise. Hier kommt meine Seele zur Ruhe und ich versuche mir all die bunten Bilder, intensiven Gerüche und bizarren Geräusche der Stadt nochmal vor Augen zu führen. Welch ein Kontrast!

Marrakesch INFOS:
TIPP: Handy immer mit WLAN oder mit marokkanischem Netz, gratis SIM-Karte mit 4G gibt‘s als Promotion am Flughafen.

HOTELS und RIADS:
Hotel & Spa Riad Al Jazira
marrakech-riads.com
Riad / Hotel La Maison Nomade
40030 Marrakech
Unter deutscher Leitung
www.lamaisonnomade.com
Riad Up – Urban Paradise
41, Derb Boutouil, Marrakech 40000, Marokko
www.riadup.com
Riad Dar Zaman
www.darzaman.co.uk

SHOPPING:
Chabi Chic
(davon gibt es mehrere in Marrakesch, man kann sich die Sachen online liefern lassen!)
www.chabi-chic.com
33 RueMajorelle
Rue Yves Saint Laurent, 40000 Marrakech
(wunderschöne marokkanische Designersachen)
Alnour Textiles
Rue el Ksour 57, Marrakech Medina
(ein Sozial-Projekt von einer Österreicherin für behinderte Frauen, die hier eine faire Arbeit als Näherin finden, inkl. Kinderbetreuung)
www.alnour-textiles.com
Max & Jan Concept Store, Medina
16 rue Amesfah, sidi abdelaziz Medina, Marrakech 44000, Marokko
maxandjan.com

CAFÉS & ESSEN:
La Famille
Cantine Au Jardin
42 Riad Zitoun Jdid, Marrakech Medina
(rein vegetarisch, verwunschener, traumhafter Innenhof, Hipster-Style, unbedingt vorreservieren, auch für Mittag)
Nomad
1, Derb Aarjan, Marrakech Médina
(romantische Dachterrasse, vor allem bei Nacht, Flair von 1001 Nacht)
nomadmarrakech.com
Le Jardin
32, Souk Sidi Adelaziz, Marrakech Médina
lejardinmarrakech.com
Plus61
96 Rue Mohammed el Beqal, Gueliz, Marrakech
plus61.com
Café des Èpices
75, Rahba Lakdima, Marrakech Médina
cafedesepices.ma
BlackChich
1 Derb Nakouss Riad Zitoune El Jedid, Marrakech Médina
(unbedingt hinauf auf die Dachterrasse, super Ausblick aufs Atlasgebirge, unkompliziert für einen Snack zwischendurch)
Dar Zellij
1, Kasour Sidi Ben Slimane
(wundervolle Dachterrasse und Dachzelt, wo die Aperitifs am Abend eingenommen werden können, mittags gibt es Essen auch oben auf der Terrasse, oft mit Live-Musik)
marrakech-riads.com/restaurant-dar-zellij
Dar Cherifa
Cafe Litteraire, Galerie, Restaurant
8 Derb Cherfa Lakbir Moussine, Marrakech Medina
marrakech-riads.com/restaurant-dar-cherifa
Café De France
Einer der besten Ausblicke auf den Djemaa el Fna de Marrakech
(hier saß auch Angela Merkel bei einem Marrakesch-Besuch)
Maison de la Photographie
46, Rue Souk Ahal Fassi, kaat Ben Nahid
Eintritt: ca. 5 EUR
(ein fantastisches Museum, tolle Architektur, Ruheoase und wieder mal eine herrliche Dachterrasse!)
www.maisondelaphotographie.ma

AUSFLÜGE:
Anima Garten Le Retour Du Paradis, crée par André Heller
Gratis Shuttle online buchen (Abfahrt bei Moschee Koutoubia, erster Shuttle um 9:30, ca. 40 Min. Fahrtzeit)
Eintritt: ca. 12 EUR
Einfach drauflos schlendern und im satten Grün der exotischen Pflanzen und im Duft der Rosen versinken. Immer wieder entdeckt man beim Lustwandeln ein Kunst-Highlight (Picasso, Keith Haring, André Heller, …)
Jardin Majorelle
Rue Yves Saint Laurent/Av. Yacoub El Mansour
Am besten zeitig in der Früh hinkommen, denn man muss höchstwahrscheinlich in der Schlange stehen.
Ursprünglich nach den französischen Maler Jacques Majorelle benannt, der in diesem Garten sein Künstleratelier hatte. Nachdem der Ort irgendwann verwahrloste, rettete Yves Saint Laurent den Garten und erweckte ihn zu neuer Blüte. Hier taucht man ein in ein Märchen aus Licht und Farbe, das berühmte Majorelle Blau ist allgegenwärtig. Eigentlich Kobalt, doch hier wird das Blau Majorelle genannt: ein von innen leuchtender, frischer Blauton, der an das Meer und den Himmel erinnert. Er steht für Frische und Abkühlung im heißen, staubigen Marrakesch. Ein verwunschener, traumhafter Ort, an dem man schnell zur Ruhe kommt, nachdem man die quirligen Gässchen der Souks hinter sich gelassen hat.
Im ehemaligen Atelier Majorelle befindet sich auch das Musée Berbère, das landesweit als eine der besten Ausstellungen zur Kulturgeschichte der Berber gilt.
www.jardinmajorelle.com