Kopfschmerzen – Quälende Attacken
Leiden auch Sie vorübergehend oder anhaltend an Kopfschmerzen? Dann gehören Sie zu den rund 70 % der Bevölkerung, deren Lebensqualität in unterschiedlicher Dauer und Intensität davon beeinträchtigt wird. Liegt erst eine ärztliche Diagnose vor, stehen neben Medikamenten weitere moderne Therapieverfahren zur Verfügung. Sagen Sie Ihren Kopfschmerzen den Kampf an!
Text: Susanne Rosenberger Fotos: Barmherzige-Brueder-Salzburg, Klaus Huber, AdobeStock
Im weiten Feld von Kopfschmerzen (Cephalgie) sind über 200 unterschiedliche Formen bekannt, die wiederum von der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft in zwei große Gruppen eingeteilt werden: einerseits Beschwerden, die selbstständig auftreten und keiner Ursache zuzuordnen sind (primärer oder idiopathischer Kopfschmerz), andererseits Schmerzen, die infolge von anderen Krankheiten, etwa einer Grippe, auftreten (sekundärer oder symptomatischer Kopfschmerz). Zum Feld der primären Kopfschmerzen zählen der Spannungs- und Clusterkopfschmerz sowie die Migräne.
Wenn es hämmert und pocht
Zu den häufigsten Ursachen für normale Spannungskopfschmerzen – die sich in dumpfen, drückenden, ziehenden Schmerzen bemerkbar machen – zählen Stress, Fehlbelastungen, Wetterfühligkeit, Muskelverspannungen, Flüssigkeitsmangel, Rauchen, Infektionskrankheiten, Schlafmangel oder eine falsche Medikamenten-Einnahme.
Bei Migräne hingegen, einer besonders quälenden Form von Kopfschmerzen, unter der knapp 9 % der Österreicher genetisch bedingt leiden, resultiert der Schmerz aus einer Entzündungsreaktion an den Arterien der Hirnhäute, die zu einer Gefäßerweiterung und gesteigerten Schmerzempfindlichkeit führt. Solche Migräneattacken dauern Stunden oder sogar Tage, können einmal pro Woche, einmal pro Monat oder seltener kommen. Eine chronische Migräne geht mit Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit einher. Vor dem Auftreten der nächsten Attacke erleben Betroffene häufig eine sogenannte Aura, also eine visuelle Wahrnehmungsstörung. Frauen sind doppelt so häufig von Migräne betroffen wie Männer, was sich aus den Schwankungen im Hormonhaushalt ergibt, denn wenn das Östrogen abfällt, steigt die Häufigkeit von Migräneattacken nachweisbar an.
Clusterkopfschmerzen übertreffen in ihrer Stärke sogar Migräneanfälle. Diese periodisch auftretenden Schübe mit unbekanntem Auslöser können nur durch spezielle Medikamente behandelt werden und betreffen rund 1 Promille der Gesellschaft, hier größtenteils Männer. Betroffene beschreiben diesen Schmerz wie glühende Nadeln, die sich anfangs gefühlt durch das Auge bohren (verursacht durch entzündete Venen hinter dem Augapfel) und sich dann in Form eines Stechens Richtung Stirn, Schläfen oder Ohren ausbreiten.
Schmerztagebuch gibt Aufschluss
Im Vorfeld empfiehlt sich ein Kopfschmerztagebuch, um den Beschwerden gezielt auf den Grund zu gehen. Nur so kann der Arzt anhand bestimmter Charakteristika sowie der begleitenden Symptome Rückschlüsse ziehen, um welche Kopfschmerzart es sich handelt. Ist es eher ein Drücken, Ziehen, Stechen oder Pulsieren im Kopf? Ist der Schmerz einseitig, beidseitig oder im gesamten Kopf spürbar? Wie oft treten die Kopfschmerzen auf und wie lange dauern sie an? Was führt zu einer Verbesserung bzw. Verschlechterung der Symptomatik? Welche Begleiterscheinungen treten auf (Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Fieber, tränende und gerötete Augen, Seh- oder Sprechstörungen)? Allesamt wichtige zielführende Charakteristika, die dem Arzt helfen können, Rückschlüsse auf die Art von Kopfschmerzen zu machen. Mögliche Auslöser (wie Stress, Essen, Schlaf, Hormone) müssen in einem Kopfschmerztagebuch ebenfalls mitberücksichtigt werden.
Auch der Salzburger Neurologe Dr. Klaus-Dieter Kieslinger, dessen Wahlarzt-Ordination auf dem Gelände der Privatklinik Wehrle-Diakonissen ansässig ist, rät seinen Patienten zum Führen eines solchen Kopfschmerz-Tagebuches, bevor sie in seine Praxis zur Untersuchung kommen. Beim Arzt-Patienten-Gespräch wird die Anamnese erhoben, die Ursache mittels neurologischer Untersuchung abgeklärt und ein Bild vom Kopf gemacht, bevor eine Diagnose gestellt und die optimale Therapie eingeleitet werden kann. Mögliche Auffälligkeiten in der Untersuchung könnten für eine potenziell gefährliche Erkrankung (Schlaganfall, Gehirntumor, Gehirnblutung, Hirnhautentzündung) stehen und sollten dringend mittels eines bildgebenden Verfahrens wie MRT, CT oder EEG ausgeschlossen werden. Gerade im Fall von erstmals auftretenden, sehr heftigen Kopfschmerzen oder bei Kopfschmerzen in Verbindung mit Lähmungen, Störungen des Sprechens oder der Motorik, und Schmerzen, die sich nicht durch schmerzstillende Medikamente lindern lassen, gehört die Ursache dringend vom Neurologen abgeklärt.
Migräneprophylaxe
Akute Spannungskopfschmerzen lösen sich oft von selbst innerhalb weniger Stunden wieder auf. Bei chronischen Spannungskopfschmerzen, Migräne und dem Clusterkopfschmerz ist jedoch eine Behandlung notwendig. Dr. Kieslinger rät seinen Patienten zu einer ganzheitlichen Sichtweise, um das innere Gleichgewicht wieder herzustellen. „Dieser Ansatz setzt zwar die Bereitschaft voraus, selbst aktiv zu werden und seinen Lebensstil zu ändern – nur so lässt sich der Schmerz aber zuverlässig und dauerhaft in den Griff bekommen.“ Dazu gehört in erster Linie der Ausgleich von Schlafmangel und die Reduktion von Stressoren, aber auch Schmerzbewältigungstraining, Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Meditation oder Yoga bringen vielen Patienten die erwünschte Linderung.
Migränikern helfen spezielle Medikamente wie Triptane oder Betablocker, die entweder zur Vorbeugung von Attacken oder aber nur im Akutfall eingenommen werden. Erst wenn diese Medikamente nicht greifen, ist die Krankenkasse bereit, eine Botox-Therapie oder Migräne-Impfung zu bewilligen. Bei chronischer Migräne kann eine Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin zu einer Reduktion der Anfallshäufigkeit und Schmerzlinderung führen. 150-200 Einheiten Botox werden dabei mit 30-40 kleinen Nadelstichen intramuskulär im Nackenbereich, Hinterkopf, Stirn- und Schläfenbereich injiziert. Die Behandlung dauert etwa 10 Minuten, die Wirkung setzt bereits nach 3-4 Tagen ein und hält ca. 3 Monate an. „Meiner Erfahrung nach kann die Zahl der Kopfschmerztage sowie die Intensität um ca. 50 % reduziert werden,“ erklärt uns Dr. Kieslinger, „auch die Akutmedikation wirkt wieder deutlich besser und viele Patienten sind erst dann wieder arbeitsfähig.“ Die Migräne-Impfung, bei der monoklonale Antikörper als Injektion einen körpereigenen Entzündungsstoff blockieren, stellt eine weitere Therapiemöglichkeit dar. Die Injektion wird einmal monatlich beim Neurologen oder Hausarzt verabreicht, die Wirkung hält einen Monat an.
Mehr Lebensqualität durch OP
Bringt eine medikamentöse oder komplementäre Behandlung nicht den erwünschten Erfolg und lässt sich der Schmerz vom Patienten punktgenau lokalisieren, besteht durch eine chirurgische Therapie im Sinne einer Nervendekompression eine weitere Chance auf Heilung. Prof. Dr. Elisabeth Russe, Leitende Oberärztin der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg, hat sich während eines mehrmonatigen Fellowships am Massachusetts General Hospital in Boston/USA diese innovative chirurgische Technik angeeignet. Seit Einführung der Operationsmethode in Salzburg im Jahr 2015 hat Dr. Russe mehrere hundert Eingriffe dieser Art erfolgreich durchgeführt. Das komplette Spektrum der chirurgischen Migräne-Behandlung wird in Österreich nur von Dr. Russe angeboten, auch in Europa und sogar weltweit gibt es nur sehr wenige Kollegen, die diese Eingriffe durchführen.
„Abhängig vom Beschwerdebild werden über einen oder mehrere kleine Schnitte im Kopf- und Halsbereich spezifische Nervenäste freigelegt und so der chronische Druck auf den oder die Nerven und die daraus resultierende Schmerzausstrahlung behoben“, erklärt uns Dr. Russe das operative Vorgehen, „bei frontal betontem Kopfschmerz wird ein Schnitt in der Lidfalte durchgeführt, bei temporaler Migräne an der Haargrenze der Schläfe und bei okzipitaler Migräne am behaarten Hinterkopf.“ Die Operation verläuft in Lokalanästhesie oder Vollnarkose und dauert im Durchschnitt etwa eine Stunde. Wie Studien belegen, kommt es bei gut einem Drittel der Patienten durch den operativen Eingriff zu einer vollständigen Eliminierung der Symptomatik, bis zu 80 Prozent der Patienten haben eine 50-prozentige Verbesserung der Migräne-Attacken (in Frequenz, Dauer und Intensität). Die Patienten müssen jedoch vor der Operation ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen, um im Detail abzuklären, wie groß die Erfolgsaussichten sind. Denn die Methode darf nicht als Ersatz für die herkömmlichen medikamentösen Therapien angesehen werden.
Dr. Klaus-Dieter Kieslinger,
Facharzt für Neurologie
„Kopfschmerzen sind nicht nur sehr unangenehm und schmerzvoll, sie sind ein Alarmsignal des Körpers, das Sie nicht ignorieren oder herabtun sollten!“
Prof. Dr. Elisabeth Russe,
Ltd. OÄ der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg