Geheimnisvolles Neapel
In Neapel, der Metropole des italienischen Südens, ist der Übergang zwischen Legende und Realität so fließend wie die Stadt selbst. Was steckt hinter den Erzählungen von blutenden Heiligenstatuen, geheimen Tunnelsystemen und der Camorra? Stimmt es wirklich, dass die weltberühmte Pizza den Farben der italienischen Flagge nachempfunden wurde? Und hat der legendäre Diego Maradona tatsächlich den Vesuv zum Schweigen gebracht? Wir erkunden Italiens drittgrößte Stadt und wagen einen Blick hinter die schillernde Fassade.
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Fotos: Unsplash
er geprägt. Hinzu kommen wechselnde Herrscher, die die Kultur des Südens teils florieren ließen, teils zum Erliegen brachten. Kein Wunder, dass Neapel heute von einer Mischung aus Melancholie und Lebendigkeit geprägt ist – und dass der Fantasie hier kaum Grenzen gesetzt sind.
Ein Phänomen, das Wissenschaftler und Gläubige gleichermaßen beschäftigt, ist das jährliche Blutwunder von San Gennaro im Dom von Neapel. Verflüssigt sich das Blut des Stadtpatrons, gilt dies als gutes Omen. Manche Wissenschaftler vermuten, es handle sich bei dem vermeintlichen Blut in Wahrheit um eine thixotrope Substanz, die im Mittelalter von Alchemisten hergestellt wurde. Davon lassen sich die Neapolitaner jedoch kaum beeindrucken. Ihrer Meinung nach sprechen die Zeichen für sich: Als das Wunder 1980 ausblieb, bebte die Erde, und 1988 verpasste der SSC Napoli knapp die Meisterschaft. Zufall? Nicht in Neapel.
Die Liebe der Neapolitaner zu ihrem Fußballverein ist legendär. Der SSC Napoli ist mehr als ein Club – er ist Teil der Stadtseele, und niemand hat dieses Erbe so geprägt wie Diego Maradona. Der exzentrische Argentinier kam 1984 nach Neapel und wurde trotz seines rebellischen Rufs schnell zum Helden. Mit Maradona gelang dem SSC Napoli 1987 der erste italienische Meistertitel, und der Fußballstar wurde quasi zum Heiligen. Bis heute sieht man sein Gesicht an vielen Ecken der Stadt, und das Spanische Viertel hat ihm sogar ein eigenes Wandgemälde gewidmet – das „Maradona-Mural“ ist ein echtes Must-see für jeden Neapel-Besucher. In der nahen Bar Nilo betreibt der Besitzer ein kleines Museum. Hier gibt es sogar ein paar Locken des Superstars zu bestaunen. Und falls Sie beim Espresso jemanden sagen hören, dass Maradonas Tore einst den Vesuv beruhigten – lassen Sie es einfach als Teil der neapolitanischen Magie stehen.
Fast so stolz wie auf ihren Diego Maradona sind die Neapolitaner auf ihre Pizza. Ursprünglich ein einfaches Gericht für die arme Bevölkerung, ist die Pizza heute weltweit berühmt und gehört untrennbar zu Neapel. Seit 1984 wacht die „Associazione Verace Pizza Napoletana“ (AVPN) darüber, dass das Originalrezept als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt bleibt. Der Legende nach wurde die Pizza Margherita einst zu Ehren der italienischen Königin kreiert, doch Historiker vermuten, dass die Neapolitaner ihren beliebten Klassiker schon lange davor in den Nationalfarben belegten. Die Regentin ließ sich bei ihren Besuchen allerdings tatsächlich Pizza in den Palast liefern und prahlte öffentlich damit, in Neapel stets so zu speisen wie die armen Leute. Herrscher mögen kommen und gehen, aber Neapel bleibt. Nicht umsonst heißt es: „Vedi Napoli e poi muori!“ Einmal im Leben muss man diese Stadt gesehen haben – alles danach ist Zugabe.
Wussten Sie, dass …
… Neapel, die Hauptstadt Kampaniens, um 1900 eine der bevölkerungsreichsten Städte Europas war? Damals war die Stadt ein kulturelles Zentrum, dessen Bedeutung erst im 20. Jahrhundert nachließ.
… das Museo Archeologico Nazionale di Napoli einen geheimnisvollen Raum besitzt, das „Gabinetto Segreto“? Dieser einst verbotene Bereich, heute öffentlich zugänglich, zeigt erotische Kunstwerke aus der römischen Antike.
… Neapels U-Bahnstationen zu den schönsten der Welt zählen? Die sogenannten „Stazioni dell’Arte“ wurden von internationalen Künstlern gestaltet, und besonders die Stationen Toledo und Università sind architektonisch beeindruckend.
Das sollten Sie in Neapel erleben:
- Napoli Sotterranea: Ein faszinierendes Tunnelsystem unter der Stadt, das in der Antike entstand, als Baumaterial aus den vulkanischen Böden gewonnen wurde. Heute erstreckt sich die „unterirdische Stadt“ über mehr als 80 Kilometer und gibt Einblicke in Neapels verborgenes Leben.
- Spaccanapoli: Die schnurgerade Straße teilt Neapel und verkörpert den wilden Charme der Stadt. Laut, bunt und voller Leben – ein Spaziergang hier zeigt Neapel von seiner authentischsten Seite.
- Amalfiküste: Ein Muss für Natur- und Strandliebhaber! Von Neapel aus sind die spektakulären Panoramen der Amalfiküste leicht zu erreichen und gehören zu den schönsten Reisezielen Europas.
Neapel ist eine Stadt, die nicht nur erlebt, sondern gefühlt werden will. Tauchen Sie ein, lassen Sie sich treiben – und wer weiß, vielleicht begegnen Sie unterwegs sogar einem weiteren Geheimnis dieser faszinierenden Stadt.