Food Styling für jedermann
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Mario Stockhauser, Florian Bolk/Christian Verlag, www.kaindl-hoenig.com
Mit gekonnt dekorierten Tellern und Schüsseln wird der sommerliche Esstisch selbst zur großen Bühne. Es ist eine Kunst für sich, den Gästen das Menü als Gesamtkunstwerk zu präsentieren. Die gute Nachricht, beachtet man ein paar einfache Prinzipien sowie unsere Expertentipps: Professionelles Food Styling ist kein Drama und jeder Teller wird schnell zum Augenschmaus.
Food Styling bezeichnet eigentlich einen Begriff aus der Werbebrache, bei dem Lebensmittel für Medien möglichst ansehnlich gestaltet werden. In der Küchenschule spricht man beim Dekorieren des Tellers klassisch vom Anrichten. In Zeiten von Instagram und Co, in denen jeder seine Küchenkreationen in die (Online-)Welt tragen kann, verschwimmt beides jedoch immer mehr. Die beiden Haubenköche Vitus Winkler (Sonnhof und Kräuterreich, St. Veit im Pongau) und Alexander Rettenbacher (Restaurant Kellerbauer, Bad Vigaun) geben wertvolle Stylingtipps, um einen möglichst simplen und doch höchst ästhetischen Teller zu kreieren und so die nächste Dinnerparty garantiert zu optischen Genuss-Festspielen werden zu lassen.
Keep it simple
„Wenn man garniert, dann ist weniger mehr. Mit wenigen Hilfsmitteln den Gegensatz suchen, in einer Weise, die sich perfekt ergänzt, das ist hohe Schule”, erläutert Kellerbauer-Küchenchef Alexander Rettenbacher seine Maxime. Beim Dekorieren empfiehlt der Haubenkoch ‚Ton in Ton‘ zu dekorieren, was heißt, sich an ein bis zwei Grundfarben zu orientieren, um dann nur noch vorsichtig Farbakzente einzustreuen. Gerade im Sommer, bei all den frischen Blumen, Kräutern und Früchten, kann aber auch mal ganz bunt gestylt werden. Um das Tafelgeschirr nicht zu überladen, werden Beilagen und Saucen à part, also getrennt, auf den Tisch gestellt. So beschränkt sich der Teller auf das Wesentliche und der Gastgeber erspart sich das Nachreichen. So bleibt mehr Zeit für den gemeinsamen Genuss.
Vorbereitung ist alles
„Dekoration fängt schon vor dem Kochen an”, ist sich 4-Haubenkoch Vitus Winkler sicher. Es hilft ungemein, den Teller vorher zu zeichnen und sich so über die Anordnung klar zu werden. Inspiration bietet Instagram oder Pinterest. Ein einfacher Tipp ist, ins Rezept zu schauen und die dort vorkommenden Kräuter und Gemüsesorten auch als Deko zu verwenden. Oft hilft es, sich einfach an einer Grundzutat zu orientieren. Die Tomatenernte lässt sich beispielsweise spektakulär als Vorspeise mit einer Mischung aus Tomatensalat, Schmortomaten und Tomatenmousse darstellen, ein bisschen Mozzarella, Frischkäse oder Parmesan sorgt für geschmacklichen Kontrast. Ganze Kräuter wie Basilikum, Schnittlauchblüten und Oregano sowie ein Tomatenchip runden das Design ab.
Die richtigen Küchenhelfer
Für spektakuläre Designs braucht es nicht viele Küchenutensilien. Mit Küchenpinseln und Pesto oder Sauce lassen sich breite Deko-Streifen am Teller auftragen, mittels Spritzbeutel oder Streichpalette wird Püree zu einem spannenden Untergrund für die restlichen Zutaten. Ausstecher können mit Püree, Mousse oder Tartar befüllt werden, es kann aber auch um den Ring herum dekoriert werden und die Mitte bleibt leer. Einen Teil des Tellers mit einem Tupperdeckel abgedeckt, Gewürz- oder Kakaopulver drüber gestaubt und wieder entfernt, ergibt halbmondförmige Untergründe, auf die dann das Gericht drapiert werden kann.
Tellerkunst
Für das Anrichten gibt es ebenso wenig Konventionen wie in der großen Kunst. Auf jeden Fall sollte genügend Tellerrand freigelassen werden und die Hauptzutat eine zentrale Position einnehmen. Es ist eine Grundsatzentscheidung, ob man die Zutaten wie zufällig am Teller verstreut, oder sich für eine geometrische Anordnung entscheidet. Sauce, Creme oder Püree bilden die Grundierung, mit der Linien, Kreise oder Saucenspiegel gezaubert werden, Sättigungsbeilage entweder unter die Hauptzutat oder sparsam drum herum verteilen. Danach mit frischen Zutaten, Gemüsebeilagen und Saucen ausdekorieren. Abgerundet wird mit krossen Dekoelementen wie Brot- oder Speckchips und frischen Kräutern.
Geheimtipps vom Profi
Kräuterreich-Chef Vitus Winkler empfiehlt bei Saibling und Forelle, die leicht angebratene Haut abzuziehen, mit Butter bepinseln, salzen und im Ofen bei 160 Grad 20 Minuten lang kross herausbacken. So entstehen knusprige Chips, die perfekt mit dem Fischgericht harmonieren. Der Favorit von Kellerbauer-Küchenmeister Rettenbacher ist Kartoffelstroh. Hierzu Kartoffeln in feine Streifen schneiden, etwas stehen lassen, danach ausdrücken, damit die Stärke entweicht, und frittieren. So entsteht eine spitzen Knusperdeko.
Stylischer Kaloriensparer
Mit gekonntem Food Styling lassen sich nicht nur Gäste und Follower beeindrucken, es kann sogar bei der Gewichtsreduktion hilfreich sein. Gesundes Essen und veränderte Essgewohnheiten machen wesentlich mehr Spaß, wenn das Ganze so einladend aussieht, dass man selbst kaum widerstehen kann. Schmecken ist eine multisensorische Erfahrung, wir sehen das Essen nicht nur, wir hören es in unserem Mund, fühlen dort die unterschiedlichen Texturen und riechen alle Geschmacksnuancen. Hier kann Food Styling wesentlich dazu beitragen, vom ‚Satt-Esser‘ zum ‚Slow-Foodie‘ zu werden und es ist auch eine Frage des Selbstwertes. „Du bist was du isst!“
Buchempfehlung
Der perfekte Teller. Anrichten wie die Profis.
Anke Noak. Christian Verlag.
Kräuterreich. Geheimnisse der Alpinen Küche.
Vitus Winkler. Mattheas Verlag.