
Criticus
Text: Johannes Schindlegger
Fotos: Privat
Kommentar von Johannes Schindlegger, Regionalstellenleiter von akzente Pinzgau
Gewalt an Schulen
Es hat sich in der Schule in den letzten zwei Jahren einiges verändert. Darüber sind sich alle Beteiligten einig. Die Pädagogen erleben vermehrt unkonzentrierte und unmotivierte Schüler. Die Eltern sind mit mehr schulischen Anforderungen konfrontiert. Und die Schüler berichten von erhöhtem Leistungsdruck und vermehrter Gewalt – körperlich und psychisch. Darüber erzählen fünf Schüler aus dem Pinzgau und Pongau im Alter von 13 bis 15 Jahren:
„Bereits vor der Pandemie gab es in der Klasse Streitereien, Mobbing und andere Formen von Gewalt wie z. B. Bodyshaming und körperliche Übergriffe. Doch das hat sich in den letzten 2 Jahren sehr verstärkt“, berichtet die 13-jährige Franzi. Drohungen und Schlägereien nach der Schule kommen immer wieder vor. Das scheint die Erwachsenen aber wenig zu interessieren. Die Lehrer wollen es nicht sehen, weil es nicht am Schulgelände passiert, den Eltern wird nichts darüber erzählt und Passanten mischen sich auch nicht ein. Die Schüler finden einerseits die Schlägereien der vornehmlich männlichen Kollegen „lustig“ und andererseits haben sie Angst, selbst Opfer einer Attacke zu werden bzw. dass „Schlimmeres“ passiert.
„Die Lehrer müssten mehr hinschauen und mehr mitbekommen. Und dann braucht es mehr Information an die Eltern. Häufig wird damit gedroht, dass die Eltern informiert werden. Das passiert dann aber meistens nicht. Vermutlich steckt mehr dahinter, wenn jemand gewalttätig wird. Und dann hilft es nichts, wenn weggeschaut wird oder der Schüler vor der ganzen Klasse geschimpft wird“, bemerkt die 15-jährige Emma.
Richtig schlimm wird es ab der 3. Klasse. Dann verhalten sich die Burschen viel aggressiver. Das sind die Hormone, ist sich die Schülerin sicher. Dazu bräuchte es viel mehr Information in der Schule. Denn dann gäbe es mehr gegenseitiges Verständnis, wie es den Burschen und Mädels in der Pubertät geht. Der gegenseitige Respekt müsse auch wieder mehr werden.
Homophobe Äußerungen, sexistische Ansichten und Beleidigungen sind in den Klassen der fünf Jugendlichen an der Tagesordnung. „Deine Meinung zählt nicht, du bist ein Mädchen“, hört die 14-jährige Chiara häufig von ihren Mitschülern. Die Burschen können eigentlich nicht über ihre Gefühle sprechen und sollten das lernen. Solidarität unter Mädchen vermissen die Schülerinnen. Vielmehr kommt es verstärkt zu massiven Beleidigungen, Abwertungen – häufig mit Bezug auf körperliche Merkmale. Die Jugendlichen sind sich einig, dass mehr Beleidigungen ausgesprochen werden, weil man durch die Maske die Mimik des Gegenübers weniger lesen kann. „Da hilft auch kein „No offense“ oder „No front“ – Beleidigungen können wirklich weh tun“, meint der 15-jährige Kai. Wenn jemand provoziert wird, endet das häufig in Gewalt. Es wäre deshalb wichtig, dass in der Schule an anderen Lösungen im Umgang mit Kränkungen gearbeitet wird. In den letzten 2 Jahren gab es so gut wie keine Präventions-Workshops in den Schulen. Auf diese freuen sich die Schüler schon.
Für gewalttätige Mitschüler fordern die Jugendlichen Konsequenzen. Denn es braucht eine gemeinsame Haltung, dass Gewalt in der Schule und am Schulweg nicht toleriert wird.
Vermehrt Aggression und Gewalt gibt es, wenn der Leistungsdruck in der Schule hoch ist. Viele Lehrer sind der Meinung, dass die Schule das Wichtigste für die Jugendlichen sein soll. „Für mich ist das Wichtigste aber meine Gesundheit“, sagt Franzi. Sie hat Vertrauen zu einer Lehrerin und der Schulsozialarbeiterin. Dort kann sie ehrlich sagen, wie es ihr gerade geht. „Ich brauche keinen Erwachsenen, der mir sagt, dass ich das alles zu dramatisch sehe. Ich brauche jemanden, der mir zuhört und mich ernst nimmt. Das hilft mir am meisten.“