Craftbeer –
Artenvielfalt im Reich der Biere
Die Craftbeer-Bewegung steht für kreative Brauereien, die neue Wege gehen,
um Bier so vielfältig zu machen, dass es nie langweilig wird.
Wir stellen sechs einzigartige Biere und die dazugehörigen Brauereien im Land Salzburg vor.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: HFA-Studio, Birgit Schulz, Foto Flausen, Brauerei Gusswerk / Robert Altendorfer, Wildbild, Pinzgau Bräu, Mühltaler Brauerei,
Ihr Gewohnheits-Kisten-Käufer und Nicht-Über-Den-Krügerlrand-Schauer, die Bierwelt ist groß geworden im Salzburgerland. Abseits von Märzen und Co entwickeln kreative Braumeister Craft-Biere, die für völlig neue Geschmackserlebnisse sorgen. Internationale Rezepturen werden neu interpretiert, alte Klassiker verfeinert und noch nie Dagewesenes ausprobiert.
Trend zum Handwerk
Der Craft Beer Trend aus den USA greift auch immer mehr in Deutschland und Österreich, den heiligen Ländern des Reinheitsgebotes, um sich und bringt Vielfalt in Flaschen und Fässer. Craft steht für ‚handcrafted‘, zu Deutsch handgemacht. Die Wiederbelebung von kleinen Brauereien mit besonderen Biersorten begann in den 70er Jahren. Damals teilten sich in den Vereinigten Staaten einige wenige riesige Braukonglomerate den gesamten Biermarkt auf. Produziert wurde wässriges und geschmackloses Leichtbier. Hobbybrauer begannen Widerstand zu leisten und ihr eigenes Bier zu brauen. Sie bedienten sich dabei den Vorbildern aus Europa und verbanden die alten Rezepte mit neuen Ideen. So entstand eine unglaubliche Bandbreite an Bierspezialitäten.
Ale, IPA und Stout
Die meisten Craftbeer Sorten kommen ursprünglich aus England. Wobei Ale der Überbegriff für obergäriges Bier mit mittlerem Alkoholgehalt ist. Pale Ale ist ein meist strohfarbenes Bier aus leichtem Malz und bitterem Abgang ähnlich dem Pils. Moderne Pales verwenden oft zitronigen Hopfen, so ergibt sich eine sommerliche Leichtigkeit. IPA oder Indian Pale Ale wurde wegen derTransportwege mehr Hopfen zugefügt. Kam die zweite Fuhr Hopfen direkt ins Fass, spricht man vom „Hopfen stopfen“. Wer im Irish Pub am liebsten Guinness bestellt, der sollte Stout ausprobieren. Es ist tiefschwarz bis dunkelbraun mit cremigem Schaum, wenig Kohlensäure und kräftigen Malzaromen.
Hoiablia im Bier
Wenn der Woif Hoiablia ins Bier kippt, dann darf man nicht davon ausgehen, dass der Holler Radler sein X-tes Revival feiert. Nein, der Woif ist Biergenießer und kein Limoschlürfer. Weil er Holler aber trotzdem mag, gibt er die Blüten einfach zur Kalthopfung. Was herauskommt ist ein leicht-fruchtiges Saisonbier, mit dieser unglaublich intensiven Hollundernote. Wir würden heute gar nicht in den Genuss der leckeren Biere von Wolfgang Hartl kommen, wenn nicht Freunde ihn gedrängt hätten, endlich seinen Gerstensaft auch in verkaufbaren Mengen zu brauen. Und so freut man sich inzwischen jeden Frühling wieder auf die Hoiablia.
„Der Prozess zu mehr Vielfalt ist ein langsamer. Ich möchte dazu beitragen, dass man in Restaurants, Bars und im Supermarkt endlich eine große Biervielfalt finden kann.“
Wolfgang „Da Woif“ Hartl
Einfach geiles Zeug
Braumeister Reinhold Barta und das Brauhaus Gusswerk stehen für die pure Lust am Craftbeer, die Auswahl an Sorten ist überwältigend. Wer den Rampenverkauf nutzt, steht direkt in der Brauerei und kann den Braumeistern bei der Arbeit zusehen. Alle Gusswerk-Biere sind bio, viele Zutaten kommen direkt aus der Region und der Strom aus der hauseigenen Photovoltaikanlage. Da kann man sich beruhigt zurücklehnen und sich noch ein Bier aufmachen – der Nachhaltigkeit zuliebe. Auch die Suche nach dem rundesten Bier hat ein Ende, denn wir haben sie gefunden, die Horny Betty. Dreifach gemaischt und doppelt vergoren, schmeckt voll mit leichter Restsüße, ist nicht sehr bitter, trotzdem schöne Hopfennote. Aufpassen muss man beim Alkoholgehalt von 9 Vol. %. Egal ob Männlein oder Weiblein, Weißbierenthusiast oder Pilsanbeter, bei Betty findet jeder etwas, das ihn ‚horny‘ macht.
Back from Space
Was passiert, wenn zwei Musiker eine Tournee in den USA geben und dort den Craft-Beer-Himmel vorfinden? Sie hängen die Musik an den Nagel und beginnen Bier zu brauen. So geschehen bei Peter Kreyci und Phil Zezula. Ganz konnten sie ihr Ding mit der Musik aber nicht lassen, also überlegten sie sich, wie wohl ein Song schmecken würde, wenn er ein Bier wäre. Um ganz sicher zu gehen, beschallen sie es mit dem passenden Song, damit das Bier den richtigen Groove bekommt. Was dabei herauskam war ein Doppel-Staatsmeistertitel der Hobbybrauer und Österreichs erstes Indie-Music-Pale-Ale. Wer sich eine Flasche Back from Space aufmacht, dem springen Marille, Maracuja und Mango in die Nase. Ein so frisches und sommerliches Bier findet man kein zweites Mal und was man dazu hört; ist eh klar, den gleichnamigen Song von den Steaming Satellites.
„Wir haben uns in den USA durch alle möglichen Craft-Beere durchgekostet, das gab uns das Know-how, weil wir wussten wo wir hinwollen. Den Rest macht die Musik.“
Peter Kreyci
Wie der Phönix aus der Asche
Hans Peter Hochstaffl ist ein Spätberufener. Mit 33 trat der Kfz-Mechaniker eine Lehre als Bierbrauer an. Zwölf Jahre später sprang er endgültig ins kalte Wasser und gründete in Bruck eine Brauerei – Pinzgau Bräu. Eine ideale Halle war schnell gefunden, leider schon dauerhaft vermietet. Und hier kommt das Glück ins Spiel, es kam nämlich zum Brand, niemand wurde verletzt, doch der Standort wurde frei und Peter konnte einziehen. Zum Gedenken an dieses Ereignis braute er seinen Phönix aus der Asche, obergärig, mit getorftem Wiskeymalz. Ein rauchig-herbes dunkles Bier für Wiskeyliebhaber mit Ecken und Kanten. Spannender Begleiter zu Kas- und Schottennocken oder zu allem, was frisch vom Grill auf den Teller kommt.
„Mit den Zutaten zu spielen und damit Geschichten erzählen, die das Leben schreibt, das macht die Faszination Craftbeer aus.“
Peter Hochstaffl
Der Jaga aus dem wilden Lungau
Im schönen Lungau erweckte Christian Mauser nach über 100 Jahren die Mühltaler Brauerei wieder zum Leben. „Anfangs hatte ich die Vision, dem Lungau sein Bier wieder zurückzugeben, aber inzwischen liefere ich weit darüber hinaus“, erinnert sich der Brauunternehmer. Ein Anklang an den wilden Lungau ist sein Jaga-Bockbier mit verträglichen 7,5 % Alkohol. Untergärig fein, mit milden Hopfennoten und leichter Restsüße. Farblich an Herbstlaub erinnernd, ist es der perfekte Begleiter zu allen deftigen Speisen. Der Jaga ist im Gegensatz zum Lungau aber nicht so wild, sondern ein abgerundeter Bock, der weich genug ist, um auch den Feierabend damit ausklingen zu lassen.
Christian Mauser
Wenn Champagner und Bier zusammenfinden
Den gesamten Prozess des Bierbrauens direkt vor Ort abdecken, mit Leidenschaft experimentieren, neue Wege gehen und altes Wissen wiederbeleben. All dem hat man sich am Stiegl-Gut Wildshut verschrieben. Fast alles, was die Bierfässer verlässt, ist vor Ort gewachsen und verarbeitet worden. Die Braumeister Markus Trinker und Sebastian Eßl kreieren edle Tropfen wie ihre Perlage, eine Hommage an den Champagner. Flaschenvergoren mit Hefe, die in der Champagne selektiert wurde. Heraus kommt eine feinperlige natürliche Kohlensäure und Riesling-Bouquet, Aromen wie Stachelbeere und eine so angenehme Trockenheit, dass man kaum glauben kann, ein Bier vor sich zu haben, aber Champagner auch nicht. Es ist das Beste aus beiden Welten.
Mit ihrer Botschaft sprechen die Braumeister aus Wildshut wohl für alle kreativen Brauereien im Land Salzburg: „So erlebt man Bier!“
(Ste)irish Stout
Gut, Murau liegt nicht ganz in Salzburg, trotzdem ist das Murauer-Märzen hierzulande schon eine Legende. Dabei gibt es von der Murauer Brauerei auch für Fans des typisch irischen Guinness ein unmoralisch gutes Angebot, nämlich ein Stout, dass es in sich hat und jeden irischen Kobold vor Neid erblassen ließe. Das Murauer Stout kommt in der sympathischen Bügelflasche daher und beim Einschenken offenbart sich ein feincremiger Bierschaum, der dem Stout eine formschöne Krone aufsetzt, und eine zurückhaltende Kohlensäure. Beim ersten Schluck schmeckt man sofort feine Kaffeenoten und dunkle Schokolade. Ein besonderes Bier, das das Irish Pub nach Hause holt und trotzdem ein Österreicher bleibt.
Mehr als Bier - Murauer Bierapotheke
Wer in Murau zu Gast ist, kann die Faszination Bier mit allen Sinnen erlebt werden. Das Juwel der Brauerei der Sinne stellt die Versuchs- und Schaubrauerei dar, eine Art Miniatur Brauerei mit einer Ausstoßmenge von 10 hl, wo kreative Bierspezialitäten wie das Pale Ale oder Stout gebraut werden. Stärken kann man sich danach in der Bierapotheke. Diese befindet sich, laut Aufzeichnungen, im ältesten Gebäude der Muraus. Die Bierapotheke ist zum einen eine stilvolle Lokalität für gemütliches Zusammentreffen und zum anderen ein Shop, in dem apothekentypische Produkte aus der Region erworben werden können. Von Shampoos, Salben, Lotions bis hin zu Trebernkissen und Tees lässt der Shop keine Wünsche offen.