Vom Monte Carlo der Alpen zum Berlin der Berge

Aufstieg, Fall und Wiederauferstehung Bad Gasteins

Bad Gastein, das ist einzigartig auf der Welt. Majestätische, sich an steile Hänge schmiegende Belle Époque Bauten gruppieren sich um den beeindruckenden Gasteiner Wasserfall. Viele Hotelpaläste, einst gut genug für kaiserliche Besuche, verwandelten sich durch Misswirtschaft und Größenwahn zu morbiden, baufälligen Ruinen. Langsam erwacht der Kurort aus seinem Dornröschenschlaf.

Als Monte Carlo der Alpen bezeichnete man Bad Gastein früher ehrfürchtig. Der Kur- und Wintersportort im Herzen des Nationalparks Hohe Tauern stand für Glanz und Glamour. Doch Ende der 80er ging es bergab mit dem Ort. Die Hoteldynastien wie Straubinger und Weissmayr lebten selbst wie der Jetset, übersahen aber den Puls der Zeit und so überstiegen die Kosten für moderne Renovierungsmaßnahmen das Machbare. Die betuchten Gäste suchten sich Orte, die ihren Standards gerecht werden konnten und während Gstaad, St. Moritz und Lech den Reichen und Schönen Unterschlupf gewährten, fiel Gastein in einen Dornröschenschlaf. Die großartigen Bauten verfielen Anfang der 2000er nach und nach und es kehrte eine morbide, beinahe mystische Stimmung in das Belle Époque Ortszentrum ein. Doch genau jener Charme des Verfalls war es, der Bad Gastein wieder ins Leben holte, Fotografen entdeckten Hotelanlagen, in denen seit 20 Jahren die Tische mit Silberbesteck und feinstem Porzellan eingedeckt waren und Schwimmbäder, deren handgemachte portugiesische Fliesen langsam von den Wänden fielen. Mitten hinein kamen die Kreativen, die Designer, Künstler und Unternehmer, die das Shabby zelebrierten und hier arbeiten, mitwirken oder einfach nur Weltflucht betreiben wollten – das Berlin der Berge war geboren.

Was wäre diese Entwicklung aber ohne die Geschichten, die die Hotels groß machten und wieder zerstörten. Ein Zeitzeuge ist Nonno Kaltenbrunner, als Nachfahre der einst so mächtigen Hoteliersfamilien Hirt und Windischbauer, die den Ort prägten, wie kaum eine andere Familie.

Die alten Hoteliers-Dynastien

In den 1880ern gab es zwei Hoteliersgroßdynastien, die fortan die Geschicke des Gasteiner Tourismus für viele Jahre bestimmen sollten. Die altehrwürdige Familie Straubinger, die das 1840 erbaute Hotel Straubinger ihr Eigen nannte und damit direkt am schon damals berühmten Wasserfall das erste Haus am Platze führten. Die Straubinger kamen als Wildschütz zu den bekannten Weitmoserfürsten nach Hofgastein und mauserten sich in der Folge zu Großgrundbesitzern. „Der Newcomer war meine Familie, die Windischbauer, die sich dann über Jahrzehnte mit den Straubingers befetzt haben“, erinnerte sich Nonno Kaltenbrunner an seine bewegte Familiengeschichte. Sein Urahn Alois Windischbauer kam als 21-Jähriger als gelernter Kaufmann nach Gastein. „1861 war damals genau der Beginn des großen Aufschwunges und er hat erkannt, dass man da was verdienen kann. Er stellte gegenüber der Villa Solitude eine Holzbude auf und verkaufte Souvenirs und Plunder. Aber als er eine Wechselstube gegenüber dem Hotel Straubinger, wo früher das Fotogeschäft Maringer war, eröffnete, kam er richtig zu Geld. Das zumeist adelige internationale Publikum kam aus aller Herren Länder und deren Bedienstete legten nicht allzu viel Wert auf korrekte Wechselkurse. Schnell hatte er so viel beisammen, dass er das heutige Hotel Elisabethpark erbauen konnte und weil er Kaufmann war, kam dort wo heute das Café Sissi ist, ein Kaufmannsladen hinein“, erzählt Nonno Kaltenbrunner aus der Familiengeschichte. Ein Paar Jahre später konnte der schlaue Kaufmann schon das nächste Hotel errichten lassen, das Grand Hotel Gasteinerhof. „Im Hotel Elisabethpark wohnte damals ein Herr Hirt, der war Bahnunternehmer in Deutschland. Der Windischbauer und der Hirt verstanden sich so gut, dass sie ihre Kinder, meine Großeltern, miteinander verheirateten und ihnen ein Großunternehmen in Gastein aufbauen wollten. Dann haben sie Grundstücke gekauft, vom alten Gasteinerhof bei der Pfarrkirche Bad Gastein bis hinein ins Kötschachtal. Dort haben sie dann den Habsburgerhof gebaut“, erzählt Nonno Kaltenbrunner weiter.

Grand Hotel Straubinger und das Badeschloss

Im Badeschloss wohnte der deutsche Kaiser und gegenüber im Hotel Straubinger der österreichische Kaiser Franz Josef. Die Tradition verlangte es, sich gegenseitig zu besuchen und so entstanden die kuriosesten Szenerien. Jeder Kaiser war auch gleichzeitig Oberbefehlshaber eines Ehrenregiments des jeweils anderen Landes. So stieg der deutsche Kaiser in österreichischer Uniform vor dem Badeschloss in seine Kutsche und fuhr einmal um den keine 100 Meter langen und 30 Meter breiten Platz, um auf der anderen Seite wieder auszusteigen und vom österreichischen Kaiser förmlich begrüßt zu werden. Am nächsten Tag wiederholte sich das Spektakel mit einem österreichischen Kaiser in preußischer Regimentsuniform unter den Blicken von mehreren Hundert Zuschauern. Im Zuge dessen wurde auch der bekannte Gasteiner Vertrag unterzeichnet, der Gebietsansprüche zwischen beiden Nationen regelte.

Der Habsburgerhof war aber vielmehr als Endpunkt eines viel größeren Projektes geplant, denn seit 1875 gab es eine Eisenbahnlinie über Lend bis nach Zell am See. Züge verkürzten die Reisezeit erheblich und es bedurfte nur eine Strecke von 25 Kilometern, um Bad Gastein direkt mit den Metropolen Wien und Berlin auf Schiene zu bringen. „Dieses Projekt sollte die Familie Windischbauer/Hirt zur absoluten Nummer Eins im Tal machen“, so das wandelnde Gasteinlexikon Kaltenbrunner. Da die k.u.k. Monarchie aber schon die Tauernbahn auf der anderen Seite des Tals plante, wurde das ehrgeizige Projekt nie realisiert. Als nächstes stand dann aber das Grandhotel Kaiserhof auf dem Programm, welches die Kinder der beiden Unternehmer, das Ehepaar Heinrich Hirt und Maria Windischbauer führten. Danach kam das Kraftwerk in der Köschachtalerstraße und das Kraftwerk an der Karl-Heinrich-Waggerl-Straße unterhalb des Hotel Echo, dieses lieferte den Strom für die Hotels Gasteinerhof und Elisabethpark und ist heute noch immer in Betrieb. Weiters wurden weitere Besitze gebaut bzw. gekauft, das Haus Miesbichel in Bad Bruck, das heute abgerissene Hotel Söntgen, das Hotel Regina und Hotel Savoy rundeten das unglaubliche Portfolio der Hotelliersdynastie ab.

Das Hotel De l'Europe war eines der modernsten Hotels der Donaumonarchie

Abseits der großen Dynastien

Das wohl beeindruckendste Gebäude Bad Gasteins, das Hotel De‘l Europe wurde dann aber wieder von einem ‚Zuagroastn‘ errichtet. 1906 kaufte der wohlhabende Linzer Bahnhofsrestaurateur Viktor Sedlacek ein 15.000 Quadratmeter großes Grundstück in der Nähe des Ortszentrums, auf dem bis jetzt nur die Villa Solitude stand. Diese zählte in der Zeit der großen Kaiserbesuche zum Besitz des Flügeladjutanten des deutschen Kaisers Wilhelm. Zusammen mit dem Linzer Dombaumeister Schlager errichtete Sedlacek von 1916–1919 unter lautstarkem Protest seines Nachbarn, des Hoteliers Weißmayr, dass 10-stöckige, bis dahin modernste Hotel der Donaumonarchie, das De l‘Europe. Es verfügte über jeden erdenklichen Luxus, eine beeindruckende Marmorlobby mit Blick auf den Wasserfall, einen 370 m2 großen Speisesaal und 148 Gästezimmer. Zwar gab es nur 14 Badezimmer und 14 Thermal-Badekabinen für den Kurbetrieb (die adeligen Gäste pflegten eher ganze Etagen zu mieten), aber alle Zimmer hatten elektrisches Licht, Zimmertelefone und Warm- und Kaltwasser, was in jener Zeit einer Sensation gleichkam.

Ein weiterer spektakulärer Hotelbau, das Bellevue, welches heute als 4 Sterne Betrieb von der Mondi Gruppe geführt wird, wurde 1910 von Leopold Wührer gekauft, der das ehemalige Russische Café zu einem weiteren 5 Sterne Hotel ausbaute. Wührer war davor Oberkellner im Hotel Straubinger. „Damals konnte in diesem Beruf so viel verdient werden, dass man sich von den Trinkgeldern ein Vermögen erarbeiten konnte. Die Positionen eines Oberkellners oder Portiers waren so begehrt, dass man sich diese gegenseitig abgekauft hat“, erzählt Nonno Kaltenbrunner lächelnd bei einem Achterl Weißwein.

„In zwei Saisonen konnte locker so viel verdient werden, dass man ein neues Hotel bauen konnte. Der Grund waren die Personalkosten, obwohl man mehr Personal wie Gäste hatte, betrugen die Personalkosten nur 8–10 %.“

Nonno Kaltenbrunner

Das Hotel Mozart heute

Aus den bestehenden Villa Mozart und Villa Dr. Schneyer entstand damals das Hotel Mozart. Eines der wenigen, das seit der Eröffnung am 2. Juni 1913 noch in Familienbesitz ist. Blickt man heute auf die Hausfassade, kann man noch sehr gut die südliche Villa Mozart und die nördliche Villa Dr. Schneyer erkennen. Heute leitet Florian Krenn das Haus. Man ist sich des reichen Erbes Bad Gasteins durchaus bewusst, denn der Hotelier ist gleichzeitig Archivar des Gastein Museums.

Bis zum ersten Weltkrieg gab es in Gastein ein Luxuspublikum, das aus Kaisern, Fürsten und Aristokraten bestand. „Wir hatten in Bad Gastein das Glück, dass es ein paar unglaublich wichtige Persönlichkeiten gab, die Gastein befeuert haben, vergleichbar mit den Stars heute. Da war der Erzherzog Johann, der sich in Gastein ein Haus gebaut hat. Er hat den Generalfeldmarschall von Moltke hergebracht. Das war einer der wichtigsten Feldmarschalle Deutschlands und Rheumatiker. Das Gasteiner Heilwasser hat ihm geholfen. Der spätere Kaiser Wilhelm war auch Rheumatiker und so kam auch der nach Gastein. Mit dem Kaiser kam natürlich auch Otto von Bismarck, der Reichskanzler. Damit musste man keine Werbung mehr machen. Der Vater von Winston Churchill wohnte beispielweise in der Solitude.

Die Kriegs- und Zwischenkriegszeit war für Gastein sehr schwierig, konnte aber überwunden werden. Nach 1950 ging der Tourismus wieder los und auch der Skisport kam richtig ins Rollen, so kam Gastein aus dem reinen Sommer Betrieb in einen Zwei-Saisonen-Betrieb. „Dann hatte Gastein das Glück, dass es die FIS-Rennen bekommen hat, mit dem Highlight der Ski WM 1958. Die alten Hotels hatten aber das Problem, dass sie nur auf Sommertourismus ausgelegt waren und verfügten oft über keine Heizung. Der Umbau war mit beträchtlichen Kosten verbunden und so waren die 60er und 70er mit beträchtlichen Modernisierungsstau verbunden, in dem sich die Hotels großteils schwer verschuldeten. Großprojekte und falsche Entscheidungen sollten die Folge sein.

Zum Museum

Das Gasteiner Museum

Das liebevoll geführte Museum im historischen Hotel De l‘ Europe ist immer einen Besuch wert. Wir bedanken uns herzlich beim Gasteiner Museum und Kurator Florian Krenn für die Bereitstellung aller historischen Bilder.

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Streit und Finanzprobleme

Um dem entgegenzuwirken, entstand unter Bürgermeister Anton Kerschbaumer in den 70er Jahren das „Projekt Gastein“. So wurden in massiver Betonarchitektur das Felsenbad und das Kongresshaus erbaut. Im Zentrum des Nationalparks wurde ein ebenso modernes Retortenhoteldorf geplant, das nicht umgesetzt werden konnte, weil die Gemeinde dem Hauptfinanzier des Projektes, Karim Agha Khan nicht die Mehrheit überlassen wollte. Heute zeugen noch die spacigen Metallkugeln auf dem Kreuzkogel von der Designsprache des Projektes. „Die damaligen Hotelbesitzer und Teilhaber in der Finanzierung AG machten die Sache nicht leichter, da diese sich ständig bekämpften. Es hieß Seldacek gegen Wührer gegen Franzmayr“, so Kaltenbrunner. Der darauffolgende Bügermeister erwies sich als Totengräber Gasteins, denn als Bankdirektor und Bürgermeister bestand ein Interessenskonflikt, da jede politische Entscheidung von der Rolle als Geldgeber der einflussreichen Hoteliers beeinflusst wurde und meist zugunsten der Bankinteressen getroffen wurden. Zusätzlich waren die großen Häuser inzwischen unter Geschwistern, Eltern und Kindern aufgeteilt.“ Das Problem war, dass die Hotels alle Familienstiftungen waren, aus denen immer mehr Familienmitglieder wie Stars herauslebten. Beim Hotel Straubinger war es ein ganzer Clan, der das Geld bis nach München hinausgezogen hat. Die Wahrheit ist, wir haben alle zu gut gelebt“, zeigt sogar der ansonsten bescheidene Nonno Kaltenbrunner sich reumütig. Zeitgleich begann langsam der Appartementtourismus, der den Hotels zusätzlich Gäste kostete, obwohl mit ihm eine rege Bautätigkeit einsetzte.

Falco im Elisabethpark mit Roswitha Franzmayer

Die Blüte der 70er

Trotzdem kamen in den 70ern nochmal die Großen ihrer Zeit nach Gastein. Vor allem dem Hotel Elisabethpark gelang es durch den eingeheirateten Bauunternehmer Franzmaier, das Haus zu einem modernen Luxushotel umzubauen, das schon 1967 über ein modernes Thermalschwimmbad verfügte. Im Elisabethpark wohnten Stars wie Falco (früher 80er). Ebenso gelang dem Hotel Bellevue die aufwendige Sanierung und es konnte bspw. 1962 König Ibn Saud von Saudi Arabien mit Gefolge begrüßt werden. Der Schah von Persien stieg im De l’Europe ab. Das legendäre Gasteiner Silvesterkonzert von Liza Minelli 1982, das vom ORF und dem deutschen Fernsehen live übertragen wurde, markiert in der Erinnerung das Ende der zweiten großen Glanzzeit des Monacos der Alpen. Maßgeblich an den letzten Erfolgen beteiligt und doch eine Katastrophe für Bad Gastein war eine schillernde und gleichzeitig zweifelhafte Unternehmerpersönlichkeit: Reinhardt Stefan Tomek.

Tomeks De l‘Europe

Tomeks Gesellschaft übernahm das Hotel von der Turnauer Gruppe, an die die Familie Sedlacek wegen massiver Geldprobleme verkaufen musste und renovierte das Luxushotel. „Reinhardt Stefan Tomek errichtet im De l’Europe und anderen gekauften Immobilien eine Art potemkinsches Dorf, das dann 1988 in einem gewaltigen Konkurs zusammensackte“, erinnert sich Nonno an die seltsamen Zeiten: „Er war und ist ein Lebenskünstler, dessen Firmenkonstruktionen an der Legalität schrammten und der deshalb auch in Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft saß.“ So wurden, so erzählt man sich in Gastein, die Rechnungen der mit der Renovierung des Hotels beauftragten Firmen nie bezahlt. „Die Firma, die im Hotel die Installationen komplett sanierte, war danach bankrott, weil nie eine Rechnung bezahlt wurde, ebenso der Baumeister Angerer“, so Kaltenbrunner. Casinos Austria kaufte dann die Räumlichkeiten inkl. des fürstlichen Speisesaals und bespielte diese bis 2015. Mit dem Wegzug des Casinos ging eine Ära zu Ende, da dieses seit 1937 zum Ortsbild gehörte und zum mondänen Flair Bad Gasteins beitrug.

Die Gegenspieler des Niedergangs

Spätestens Ende der 80er blieben die berühmten und mondänen Gäste immer mehr aus und Bad Gastein wurde ein Ort des Massentourismus, mit wenigen Ausnahmehoteliers, die mit außergewöhnlichen Geschäftsmodellen oder besonderer Leidenschaft Nischen besetzten. Die schwedische Janus Ges.m.b.H. kaufte 1987 den Salzburgerhof und in Folge etliche weitere Hotels zwischen Ortszentrum und Bahnhof. Die jugendlichen schwedischen Gäste der Anfangszeit stießen zwar nicht ab besonders viel Gegenliebe der Hoteliers Konkurrenz, belebten jedoch den Ort und mit den Jahren wurden aus ihnen zahlungskräftige erwachsene Stammgäste, die noch immer viel zum Flair Gasteins beitragen. Der von der Familie Blumschein geführte Grüne Baum war bis 2016 noch immer ein europaweit namhaftes Hotel, in dem Richard von Weizsäcker und Helmut Kohl Urlaub machten.

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ORF Kurzdoku zum Aufbruch in Gastein

„Ike und mir ging es einfach darum, mit Optimismus die Berge zu erobern und dem Ort mit seinen Abenteuern direkt in die Augen zu schauen.“

Evelyn Ikrath , Haus Hirt

2000 übernahm das Hotelierspaar Evelyn und Ike Ikrath das Haus Hirt und bauten es zu einem fröhlichen Boutique Hotel um, in dem das Leben gefeiert wird. „Ike und mir ging es einfach darum, mit Optimismus die Berge zu erobern und dem Ort mit seinen Abenteuern direkt in die Augen zu schauen. Mit Ikes Blick für Architektur konnten wir hier etwas ganz Besonderes schaffen. Dann kam 2008 das Hotel Miramonte dazu, ein junges dynamisches Alpin-Hotel mit Architekturfokus, das nach neuer Bedeutung schrie“, ist Evelyn überzeugt und auch zur Zukunft Gasteins hat sie eine klare Meinung: „Aus dem verstaubten Kurbadeortimage sind wir herausgewachsen. Gastein hat unglaubliches Entwicklungspotential. Es wird immer mehr zum Treffpunkt von inspirierten Menschen, die hier zusammenkommen, arbeiten, sich gegenseitig fördern und fordern. Wir brauchen Coworking Spaces, mehr Kunstwerkstätten und noch mehr Möglichkeiten kreativ zu gestalten.“

Die Zukunft, von der Evelyn Ikrath spricht, begann mit dem letzten und sichtbarsten Akt des Niedergangs, dem Verfall des historischen Ortskernes, der 1999 vom Wiener Bauunternehmer Franz Duval als Spekulationsobjekt gekauft wurde. Dieser zog um die 2010er Jahre plötzlich junge, hippe Städter an, die gerade den Kontrast zwischen Alpenromantik und morbidem Verfall besonders anziehend fanden. Sie entdeckten Ähnlichkeiten zum Berlin der Wende, nur im Kleinen. So entstanden Kunstworkshops, Vernissagen und Summerschools in den altehrwürdigen, baufälligen Bauten. Popup Business entstand ab 2010. In der Residenz bei der Gasteiner Pfarrkirche entwickelte sich ein Neighborhood Lokal und letzte Saison wurde der Habsburgerhof von Berliner Architekten als Hotel ‚the cōmodo‘ wiedereröffnet. Es kehrt internationaler Glanz nach Gastein zurück, aber er ist nicht nur getragen von den Besuchern, sondern von jenen, die sich hier niedergelassen haben und das Lebensgefühl der Großstadt mit nach Gastein bringen. Evelyn Ikrath reüssiert über die letzten 20 Jahre, die sie in Gastein so tatkräftig mitgestaltete: „Damals war noch alles offen, der Niedergang war fühlbar, aber auch ein Pioniergefühl. Zuerst gingen alle weg, jetzt 20 Jahre später wollten alle wieder zurück nach Bad Gastein.“

Dem Berlin der Berge hat Friedrich Lichtenstein 2014 mit seiner LP Bad Gastein und vor allem der Single Badeschloss ein Denkmal gesetzt, das den Zeitgeist Gasteins perfekt auf den Punkt bringt.

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Der Beginn allen Luxus – Das Straubinger

Das Angekommensein in neuen Zeiten bezeichnet vielleicht am passendsten die Übernahme der altehrwürdigen, verfallenen Bauten am Wasserfall 2018 durch das Münchner Familienunternehmen Hirmer. Diese hat das Grand Hotel Straubinger und das Badeschloss inzwischen liebevoll renoviert. Nach der Übernahme bot sich dem Team der Travel Charme Hotels (Hirmer Gruppe) ein unglaubliches Bild. „Als wir das Hotel übernahmen, hatten wir das Gefühl, als sei gestern der letzte Gast abgereist. Gläser standen auf den Tischen, die Betten waren noch überzogen und das Klavier stand noch immer in der Lobby, während die Farbe von den Wänden blätterte“, erinnert sich Dietmar Wernitznig, der Regionaldirektor der Hotelgruppe und ist sich sicher: „Das Badeschloss, die Alte Post und das Grand Hotel Straubinger bilden ein magisches Ensemble. Ein solch aufwendiges Projekt zu übernehmen ist immer eine emotionale Entscheidung und der hat sich die Hirmer Gruppe liebevoll gestellt. Die Morbidität des Hauses ist einzigartig, wir renovierten es als lebendiges Artefakt, in dem der Verfall der letzten 20 Jahre konserviert wurde. Das Straubinger ist ein Ort mit allen modernen Annehmlichkeiten eines zeitgemäßen Luxushotels geworden, an dem die Zeit aber immer noch stillsteht.“ Das gegenüberliegende Badeschloss ist modern mit Fokus auf die Thermalgeschichte Bad Gasteins designt und dessen neuer 14-stöckiger Hotelturm ist vielleicht das neue Wahrzeichen eines Ortes, der inzwischen nicht mehr als Monaco der Alpen, sondern als Berlin der Berge bezeichnet wird.

„Als wir das Hotel übernahmen, hatten wir das Gefühl, als sei gestern der letzte Gast abgereist. Gläser standen auf den Tischen, die Betten waren noch überzogen und das Klavier stand noch immer in der Lobby, während die Farbe von den Wänden blätterte.“

Text: Dominic Schafflinger

Fotos: Dominic Schafflinger, BWM Architekcts, Gasteinertal Tourismus GmbH, Max Steinbauer Photography, Konrad Rauscher, Anton Lafenthaler, Hotel Mozart, Archiv Gasteiner Museum, Wolfsbauer

2023-09-20T15:25:49+02:00

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