Alpine Beauty

Schon seit jeher ist die Heilkraft alpiner Kräuter bekannt – die Berge waren die natürliche Apotheke unserer Großeltern und Urgroßeltern. Was heilen kann, kann auch pflegen und so ist in den letzten Jahren der Trend zur Kosmetik aus den Alpen entstanden.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: SalzburgerLand Tourismus, wildbild.at, Adobe Stock, TEH Naturwerke, Leierhof

„Heute kombiniert man altes Kräuterwissen mit wohlriechenden Substanzen wie Mandelöl und Bienenwachs. Wichtig ist uns, dass die meisten Beauty-Inhaltsstoffe auch essbar sind.“ – Regina Huber, Kräuterexpertin TEH-Naturwerke, Unken

„Traditionell gab es im Pinzgau eigentlich keine Naturkosmetik, alle Kräuter erfüllten einen Heilzweck. Schönheit war damals kein Thema“, erklärt TEH-Kräuterexpertin Regina Huber: „Trotzdem scheinen die Wirkstoffe auch kosmetische Wirkung zu haben. Meine Mutter ist 86 und obwohl sie nie herkömmliche Kosmetikprodukte benutzte, hat sie trotzdem noch immer eine glatte Haut.“ Diese Wirkung spricht sich herum und immer mehr Kosmetikanbieter greifen auf die Kraft der heimischen Pflanzen zurück. Doch Alpine Beauty bedeutet nicht nur heimisch, sondern auch noch möglichst wild und aus den Bergen, denn hier entfalten Ringelblume, Frauenmantel und Hauswurz ihre größte Kraft, so weiß es zumindest der Volksmund.

Kräuterwissen aus dem Pinzgau

„Das wichtigste Kraut für die Schönheit der Frau ist der Frauenmantel. Er umhüllt die Trägerin, ist hautschützend, spendet Feuchtigkeit und verleiht der Trägerin einen beinahe magischen Teint. Entweder verwendet man die Blätter für intensive Pflegecremes oder man sammelt den Guttationstropfen, der sich morgens in der Blattmitte bildet für einen Aqua Splash. Gänseblümchensalbe ist die optimale Hautpflege für Kinder und Spitzwegerich-Lotion stillt den Juckreiz und die Schwellung bei Insektenstichen. Dampfbäder aus Quendel öffnen die Poren, fördern die Durchblutung und helfen Jugendlichen bei Akne. Ein Peeling aus alpinem Natursalz und Ringelblumen, Hagebutten sowie Bergkräutern reinigt die Haut und entfernt abgestorbene Hautzellen und ein Lippenbalsam aus Melisse, Bienenwachs und Mandelöl ist schneller hergestellt als man zum Reformhaus fahren kann“, erklärt Regina, die früher alle diese Produkte in Handarbeit für die TEH-Naturwerke in Unken hergestellt hat.

„Unser Ziel ist es, den Gesamtstoffkomplex der Pflanzen zu verstehen – denn das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ – Anja Schuster, FH Salzburg

Das Problem mit der Höhe

Die Traditionelle Europäische Heilkunde ist sich sicher: Je höher die Lagen, desto mehr Kraft haben alpine Kräuter, da sie in großer Höhe mit Kälte, mageren Böden und kurzen Sommern zurechtkommen müssen. Doch wissenschaftlich belegt ist das nicht eindeutig. Anja Schuster forscht für die FH Salzburg an einem europäischen Projekt, das sich unter anderem genau mit dieser Frage beschäftigt: „In der Fachliteratur zeigt sich, dass dies kein allgemeines Phänomen ist, sondern dass jede Pflanze anders auf die Wettereinflüsse des Hochgebirges reagiert. Bewiesen ist nur, dass die Lage den Stoffwechsel der Pflanze verändert.“ Mit ihrem Team untersucht sie 30 alpine Heilkräuter. „Für die Kosmetik sind vor allem die Phenole interessant, diese bekämpfen oxidativen Stress, der Hautalterung auslösen kann. Phytoöstrogene reduzieren nachweislich Hauttrockenheit sowie Schuppen und optimieren die Dicke der Epidermis“, so Schuster. Ohne die Höhenlage zu berücksichtigen, zeigt sich, dass die Gattung Rosaceae, der Frauenmantel und Silbermantel angehören, grundsätzlich einen hohen Phenolgehalt aufweisen, gleiches gilt für die Lippenblütler Winterbohnenkraut, Thymian und Pfefferminze. „Erstaunlich ist, dass der Phenolgehalt der Ringelblume sehr niedrig ist, obwohl das eine gängige Pflanze für Cremes ist. Aber es geht bei alpinen Kräutern auch nicht um den einen Wirkstoff, sondern um die Kombination aller Inhaltsstoffe.“ Genau dieses Phänomen konnte die Wissenschaftlerin in einem anderen Projekt schon anhand der Wundheilkräfte der Birkenrinde nachweisen. Dieses Naturheilmittel wird heute erfolgreich bei Schmetterlingskindern eingesetzt.

Denn das Gute liegt so nah

Auch aus ökologischer Perspektive bringt Alpine Beauty viele Vorteile. Denn etablierte Kosmetikhersteller müssen ihre Inhaltsstoffe nicht mehr aus dem globalen Süden importieren, sondern können auf lokale Produkte zurückgreifen – das reduziert Transportwege und damit Co2. Ein besonderes Beispiel hierfür ist die Hauswurz, die in den Gebirgen Europas und Kleinasiens heimisch ist, sie hat weitgehend die gleichen Eigenschaften wie Aloe Vera, spendet zwar etwas weniger Feuchtigkeit, ist aber dafür stark antibakteriell.

Auch für das aus Südostasien importierte Teebaumöl lässt sich leicht alpiner Ersatz finden. Alternativen wie Quendel oder Wacholder bieten ähnliche Vorteile: sie wirken antiseptisch, talgregulierend und klärend in der Gesichtspflege. Erhältlich als Cremes, ätherische Öle oder Hydrolate sind diese Alternativen sogar hautfreundlicher.

Der richtige Weg zu alpiner Schönheit

Wer Alpine Beauty für sich nutzen will, steht vor der schwierigen Entscheidung, selbst zu sammeln, handgemachte Produkte wie von TEH zu nutzen oder auf etablierte Beautyunternehmen zurückzugreifen. Wer seine Kosmetik selbst herstellen möchte, benötigt aber eine fundierte Ausbildung, um die richtigen Pflanzen zu erkennen und wirksam zu verarbeiten.

„Wir bieten Ausbildungen sowie die passenden Produkte an, so kann jeder seinen individuellen Zugang wählen“, erklärt TEH-Praktikerin Regina Huber. „Wildsammeln in großen Mengen ist kaum möglich, da viele Pflanzen unter Naturschutz stehen oder nicht in ausreichender Menge vorhanden sind, deswegen haben wir bei vielen Kräutern in unseren Studien auf einen Südtiroler Kräuterhof in 1200 Meter Seehöhe zurückgegriffen“, erklärt Anja Schuster und gibt zu bedenken, dass sie bei ihren Nachforschungen zum Projekt auch festgestellt hat, dass viele Salzburger Bio-Kosmetikunternehmen ihre Kräuter auch nicht aus Salzburg beziehen.

Nichtsdestotrotz ist Alpine Beauty in jeder Form die beste Möglichkeit, die eigene Pflege nachhaltig und regional zu gestalten und wieder mehr mit unserer Heimat, den Alpen in (Haut-)Kontakt zu kommen.

Erfahre HIER mehr über das NETTL Heilkräuter-Projekt der FH Salzburg.

Prachtvoll oder unscheinbar, duftend oder stechend, scharf oder bitter: So vielfältig ihre Eigenschaften, so breit gefächert ist die Heilkraft der wilden Kräuter.

Gewinne HIER eine von drei Ausgaben „Wie Wildkräuter wirken“ von Renée Schroeder, 2025 Kneipp Verlag, ISBN 978-3-7088-0861-1