Allergien – Eine Plage der modernen Zivilisation
Laufende Nase, tränende Augen, juckende Haut, Kribbeln im Hals … viele von uns kennen diese Symptome nur zu gut. Wenn das menschliche Abwehrsystem überempfindlich und mit übertriebener Immunantwort auf körperfremde Substanzen reagiert, sprechen wir von einer Allergie.
Im Frühjahr schwebt der Blütenstaub von Birke, Erle, Esche oder Hasel in prallen Wolken durch die Luft. Eine gefürchtete Zeit für Pollen-Allergiker, deren Lebensqualität erheblich eingeschränkt wird, jedoch gibt es kein Entrinnen vor den winzigen Pflanzenpartikeln. Unser Immunsystem sorgt beim Kontakt mit einem Allergen dafür, dass die sogenannten Mastzellen, die in den Schleimhäuten und Bindegeweben der Haut sitzen, Histamin ausschütten. Dieser Botenstoff Histamin löst Entzündungsreaktionen aus, die Schleimhäute schwellen an und die Blutgefäße weiten sich. Allesamt Reaktionen, die sich in den typischen Symptomen einer Allergie niederschlagen: verstopfte Nase, Niesen, tränende Augen, juckende Haut.
Allergische Epidemie
Die Zahl der Allergiker hat in den letzten Jahrzehnten horrende Ausmaße angenommen und scheint derzeit auf sehr hohem Niveau zu stagnieren. „Laut einer aktuellen Publikation der Arbeitsgruppe Allergologie der österreichischen Hautärzte treten inhalative Allergien, kurzum formuliert alles, was eingeatmet wird, bei ungefähr 20 % der Bevölkerung auf. Hier wird zwischen dem Außen- sowie dem Innenbereich unterschieden, das heißt im Freien handelt es sich bei den Allergieauslösern um Gräser- oder Baumpollen, im Innenbereich verursachen vor allem die Hausstaubmilbe und Tierhaare Allergien“, informiert uns Dr. Michael Sigmund, Facharzt für Dermatologie in Salzburg, über die Einteilung der häufigsten inhalativen Allergie-Auslöser. Auf den hinteren Rängen finden sich Überreaktionen auf Nahrungseiweiß, Duftstoffe, Insektengift oder Nickel – häufig reagieren die Patienten sogar auf mehrere Allergene gleichzeitig.
Von einer Kreuzallergie sprechen Ärzte, wenn es zu einer „pollenassoziierten Lebensmittelallergie“ kommt. Das Immunsystem reagiert dann auf bestimmte Eiweiße, die in ähnlicher Struktur in Blütenstaub als auch in Obst, Gemüse, Nüssen oder Gewürzen vorkommen. Schon ein knackiger, frischer Apfel kann das Immunsystem verrückt spielen lassen, indem er Allergiesymptome, Heuschnupfenattacken oder asthmatische Beschwerden auslöst. Da es sich um eine Begleiterscheinung des ursprünglichen Leidens handelt, häufen sich die Symptome beim Verzehr der jeweiligen Lebensmittel in der Pollenflugzeit sowie in Stressphasen oder bei Infektbelastung.
Während sich die Allergie bei Erwachsenen am häufigsten in Form von Heuschnupfen (allergische Rhinitis) niederschlägt, starten viele Kinder ihre lebenslange Allergiker-Karriere mit Neurodermitis, auch atopisches Ekzem genannt. Vor diesem Hintergrund gilt die Allergie mittlerweile in vielen europäischen Ländern als häufigste chronische Erkrankung, was nicht nur eine gesundheitliche Last für jeden einzelnen Betroffenen darstellt, sondern auch eine ökonomische. Die Krankschreibungen häufen sich, weil sich Betroffene nicht mehr imstande fühlen, ihren Job auszuüben, auch die Fehlzeiten von Kindern an den Schulen führen zu versäumten, nur schwer wieder aufzuholenden Unterrichtsstunden.
Fehlschaltung des
Immunsystems
Noch immer werden zwei Faktoren für die Entstehung von Allergien verantwortlich gemacht: die genetische Prädisposition und die Umwelteinflüsse. Denn sind die Eltern Allergiker, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass auch das Kind eine Allergie entwickelt. Bei den Umwelteinflüssen werden Faktoren wie Klimawandel, Luftschadstoffe, Wohnklima, Toxinbelastung, Globalisierung des Lebensmittelmarktes, vermehrte Reisetätigkeit in fremde Länder und übermäßige Hygienemaßnahmen genannt. Die durch den Klimawandel beeinflusste Erderwärmung führt zudem zu einer verlängerten Blühperiode der Pflanzen sowie zu einer höheren Pollenbelastung, was für Allergiker eine drastische Beeinträchtigung über viele Monate darstellt.
Die internationale Forschung führt die rapide Zunahme von Allergien auf mehrere Hypothesen zurück: So geht die „Hygiene-“ oder „Urwald-Hypothese“ davon aus, dass eine zu geringe Stimulation unseres Immunsystems in der frühen Kindheit und ein keimfreies Umfeld später vermehrt zu Allergien führen. Der Kampf gegen Würmer und Parasiten sowie eine mangelnde Reinlichkeit stellten früher so gesehen einen Vorteil dar. Die „Schadstoff-Hypothese“ hingegen beruht darauf, dass sich die Oberflächenstruktur der Pollen durch die steigende Feinstaubkonzentration und Ozonbelastung verändert. Bei Langzeitstudien fiel auf, dass Menschen in Großstädten viel häufiger von Heuschnupfen, Asthma und Neurodermitis betroffen waren als die ländliche Bevölkerung. Dieses Phänomen gab der Allergieforschung Rätsel auf. Ebenfalls interessant war die Entwicklung, dass immer mehr Erwachsene und ältere Patienten Allergien entwickeln, was bislang nicht dem medizinischen Lehrbuch entsprach.
Dem Übeltäter auf der Spur
Um den Auslöser einer Allergie zu finden, stehen verschiedene Testverfahren zur Auswahl. „Die Versorgungslage in Österreich ist grundsätzlich als gut zu beschreiben, da Allergietests sowohl im niedergelassenen Bereich bei Fachärzten als auch in öffentlichen und privaten Krankenanstalten an den entsprechenden Fachabteilungen durchgeführt werden“, erläutert Dr. Michael Sigmund, der nicht nur als niedergelassener Dermatologe, sondern auch als Belegarzt an der Emco Privatklinik standardisierte Epicutan und Prick-Tests durchführt. Eine weitere Diagnosemöglichkeit ist das Screening auf Nahrungsmittel- oder Inhalations-Allergene mittels Blutanalyse.
Streng genommen gehören nur die atopischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma und Neurodermitis zu den eigentlichen Allergien. Eine Intoleranz, auch Pseudoallergie oder Unverträglichkeit genannt, unterscheidet sich – bei ähnlichen Symptomen – darin, dass das Immunsystem nicht beteiligt ist. Auch durch Störungen im Darm, wie das Fehlen bestimmter Enzyme oder Bakterien, die für die Verdauung notwendig sind, kann es zu Unverträglichkeitsreaktionen kommen. Ein Beispiel für einen Enzymmangel stellt eine Histamin-, Laktose- oder Fruktose-Intoleranz dar.
Allergenvermeidung oder
Immuntherapie?
Eine Allergie-Therapie stützt sich auf drei Säulen: Allergenvermeidung, symptomatisch wirkende Medikamente (Antihistaminika oder Kortikosteroide) und die allergenspezifische Immuntherapie. Wissenschaftler erkannten, dass man mittels allergenspezifischer Immuntherapie („Hyposensibilisierung“) in Form von Spritzen, Tropfen oder Tabletten das Immunsystem mit natürlichen Reizstoffen dazu erziehen kann, bestimmte Substanzen allmählich zu tolerieren. Ziel dieser Therapie ist es, den Körper des Patienten mit einer noch tolerierbaren Dosis des Allergens zu konfrontieren, bis dieses akzeptiert wird bzw. es zu keiner überschießenden Immunantwort mehr kommt.
Die Wissenschaft ist auf diesem Gebiet laufend neuen Therapien und Impfstoffen auf der Spur. „Die neuesten Produkte am Markt sind Sublingual-Tabletten, die neben Gräsern nun auch für gewisse Baumpollen und Hausstaubmilben zur Verfügung stehen“, klärt uns Dr. Sigmund auf. Diese Sublingual-Tabletten ersetzen eine Spritzentherapie, müssen allerdings jeden Tag eingenommen werden, über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Die Spritzentherapie läuft meist mit 6-wöchigen Intervallen, ebenfalls über drei bis fünf Jahre und muss von einem Arzt verabreicht werden. Für einige spezielle Pollenallergien gibt es auch die Möglichkeit einer Booster-Behandlung, bei der nur vier Injektionen pro Jahr notwendig sind.
Klingt alles sehr langwierig und mühsam, ist für betroffene Allergiker jedoch oft unumgänglich. Doch welche Folgen kann es haben, wenn eine Allergie gänzlich unbehandelt bleibt? „Bei einer unbehandelten Allergie können die Beschwerden von Jahr zu Jahr zunehmen und sich schließlich auch vom Bereich des oberen Respirationstraktes, sprich Nase und Rachen, in den unteren Respirationstrakt (Bronchialsystem) ausbreiten und so ein allergisches Asthma verursachen. Dies sollte unbedingt rechtzeitig, durch die Behandlung der Allergie, verhindert werden“, lautet der nachdrückliche Rat von Dr. Michael Sigmund.
Beschwerdefrei durch die Pollensaison:
- Planen Sie Urlaub in Küstengebieten und in den Bergen (oberhalb von 2.000 Metern), hier besteht Pollenfreiheit.
- Aufgrund des erhöhten Bedarfs von Vitamin C bei Allergikern, sollte einem Vitamin C-Mangel vorgebeugt werden.
- Achten Sie auf eine ausreichende Versorgung mit dem Spurenelement Zink, ein Zinkmangel kann Allergien verschlimmern.
- Stress, Ärger und Ängste verstärken Allergien. Autogenes Training kann helfen.
- Nach längeren Aufenthalten im Freien hilft eine Nasendusche aus der Apotheke, um die Schleimhäute von den Pollen zu befreien.
- Baumpollen verursachen mögliche Kreuzallergien mit diversen Nahrungsmitteln (bei Birkenpollen-Allergie sollte man z. B. Kernobst meiden).
Aktuelle Pollenbelastung für Österreich (Pollenwarndienst):
www.pollenwarndienst.at
Aktuelles zum Thema Allergie und Allergenvermeidung:
www.allergenvermeidung.org
Text: Susanne Rosenberger Fotos: David Sailer, adobe.stock.com